Die Europäische Union (EU) will unsere Verteidigung stärken. Aber bitte mit Quote! Droht das ambitionierte Programm an bürokratischen Hürden zu scheitern?
Darum geht’s: Die Bedrohung durch Russland wächst. Zugleich herrscht Ungewissheit über die künftige Rolle der USA in der Nato. Deshalb hat die EU-Kommission unter Leitung von Ursula von der Leyen ein neues Strategiepapier vorgelegt: 800 Milliarden Euro sollen in den nächsten vier Jahren von der EU mobilisiert werden, um moderne Waffensysteme wie Luftabwehr, Raketen, Artillerie oder Drohnen zu beschaffen.
ABER – das Programm sieht eine Auflage für die Mitgliedstaaten vor: 65 Prozent aller Komponenten der beschafften Verteidigungsgüter müssen aus der EU stammen! Zusätzlich muss bei komplexen Systemen das produzierende Unternehmen die sogenannte „Design Authority“ besitzen, also volle Kontrolle über das System haben.
Kritiker warnen vor langsamer und teurer Aufrüstung
Das Ziel dahinter ist nachvollziehbar: Die 65-Prozent-Regel soll Abhängigkeiten reduzieren, etwa von den USA (daher auch keine „Nato-Regelung“).
Angesichts der Entwicklungen unter Präsident Trump will die EU insgesamt unabhängiger werden. Zugleich sollen die Rüstungsmilliarden vor allem der europäischen Wirtschaft zugutekommen.
Die Gefahr dabei ist jedoch: Statt auf die besten und schnellsten Lösungen zu setzen, könnte Europa sich durch die Vorgabe selbst behindern.
Die Zahl von 65 Prozent ist schon ein Kompromiss innerhalb der EU: Frankreich fordert seit Langem eine möglichst hohe Quote europäischer Komponenten, um strategische Autonomie zu sichern. Andere Länder wie Deutschland, Polen oder die Niederlande bevorzugten ursprünglich aber eine offenere Regelung.
Von Beginn an gab es kontroverse Diskussionen unter EU-Staaten und Experten.
▶︎ Kritiker monieren, eine solche Vorgabe könne die Rüstungsbeschaffung verlangsamen und verteuern.
▶︎ Vor allem osteuropäische Mitgliedstaaten wie Polen und die baltischen Länder warnten, Europa dürfe sich nicht durch strikte Herkunftsregeln selbst ausbremsen.
Das Argument: Angesichts der akuten Bedrohungslage müsse die schnellstmögliche Beschaffung im Vordergrund stehen. Selbst wenn das bedeute, Waffen von bewährten Lieferanten außerhalb Europas zu kaufen.
Derzeit beziehen die europäischen Staaten viele ihrer Waffen aus den USA – allein zwischen 2020 und 2024 kamen 64 Prozent der Waffenimporte europäischer Nato-Staaten aus Amerika. Die neue Regel könnte es also erheblich erschweren, schnell verfügbare und kampferprobte Systeme aus Drittstaaten zu beschaffen.
Polens Premier Donald Tusk (67) erklärte schon im Vorfeld, er werde „gegen die Auferlegung von Beschränkungen beim Waffenkauf“ eintreten. Eine zu enge „Buy European“-Politik berge das Risiko, dass Lieferungen verzögert werden und Europas Armeen länger ohne notwendige Fähigkeiten dastehen.
Im Klartext: Die EU würde das genaue Gegenteil erreichen, als sie sich eigentlich zum Ziel gesetzt hat!
Bürokratiemonster statt Entbürokratisierung
Ein weiterer Kritikpunkt, auch aus einigen EU-Staaten: Schon jetzt gelten die Rüstungsbeschaffungen innerhalb der EU als kompliziert und langwierig. Experten warnen, dass die 65-Prozent-Vorgabe den bürokratischen Aufwand weiter erhöhen könnten.
Denn die Hersteller müssen detailliert nachweisen, dass 65 Prozent ihrer Komponenten aus der EU stammen. Moderne Waffensysteme bestehen aber oftmals aus hunderten Einzelteilen mit globalen Zulieferketten – ein enormer bürokratischer Aufwand, der Genehmigungsprozesse in die Länge ziehen könnte. Zudem könnten die Kosten steigen, wenn günstigere oder schnell lieferbare Komponenten aus Drittstaaten ausgeschlossen werden.