Die Koalition plane nur bis zum 28. September 2025, dem Tag der nächsten Bundestagswahl, sagte CDU-Haushaltsexperte Mathias Middelberg in Richtung Regierungsbank. Denn angesichts der gewaltigen Löcher im Etatentwurf werde das Geld nur bis dahin reichen. Das sei „unehrlich“, „verantwortungslos“ und bewege sich an der „Grenze der Verfassungsgemäßheit“. Ganz ähnlich äußerte sich Peter Boehringer von der AfD. Der haushaltspolitische Sprecher sprach von „Luftbuchungen“, nicht nur bei den angenommenen Steuereinnahmen.
Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte bereits zu Beginn der Debatte versucht, die erwartbare Kritik aus den Reihen der Opposition zu entschärfen. Er verteidigte das Zahlenwerk. „Das war kein Selbstläufer“, räumte er in Bezug auf die schwierigen Verhandlungen ein. Man habe hart gerungen, es hätten sich verschiedene Denkschulen in der Ampel-Koalition gezeigt.
Trotzdem habe die Regierung geliefert. „Solange es nötig ist, sich zu einigen, ist es nötig sich zu einigen“, sagte Lindner. Und dabei habe man aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. Der Entwurf sei rechtssicher, behauptete der FDP-Vorsitzende trotzig – ungeachtet aller juristischen Zweifel, die in den Tagen zuvor von Verfassungsrechtlern und dem Bundesrechnungshof wegen der Milliardenlücken geäußert wurden.
Und Lindner blieb im Angriffsmodus. Die Bundesregierung begegne der „ausgeprägten Wachstumsschwäche“ der deutschen Wirtschaft mit Rekord-Investitionen. Zudem habe die Ampel ein Paket zur Stärkung des Standorts vorgestellt. Dies umfasse zahlreiche Entlastungen, sowohl für Familien und Haushalte als auch für Unternehmen. Es dürfte die Wachstumsperspektiven auf Jahre stärken.
Damit agiere das Ampel-Bündnis ganz anders als die Union während ihrer Regierungszeit. Damals hätten CDU und CSU trotz hoher Überschüsse einen Investitionsstau hinterlassen und eine deutlich höhere Schuldenquote. SPD, Grüne und FDP würden dagegen beweisen, dass sich Ausgabendisziplin und ein Aufschwung für das Land nicht ausschließen würden. Im Bundeshaushalt schichte man die Ausgaben in den kommenden Jahren so „schonend wie möglich um“, sagte Lindner.
Im weiteren Teil seiner Rede richtete sich der Finanzminister dann allerdings weniger an die Opposition, als vielmehr an die Koalitionspartner. Als er den vollständigen Ausgleich der Kalten Progression hervorhob, darauf verwies, dass neue Schulden zurückgezahlt und verzinst werden müssten, kamen die unterschiedlichen Denkschulen deutlich zum Vorschein. Die Abgeordneten der FDP klatschten, während die Hände der Parlamentarier von SPD und Grünen sich kaum rührten.
Abgesehen von dieser Zeichensprache vermieden es die Hauptredner der Ampel allerdings weitgehend, ihre Konflikte offen zur Schau zu stellen. Dennis Rohde, haushaltspolitischer Sprecher der SPD, konnte sich in Zusammenhang mit künftigen Hilfen für die Ukraine lediglich einen Hinweis nicht verkneifen, der noch für viel Konfliktstoff sorgen könnte.
Falls die auch auf EU-Ebene eingeplanten Mittel für die Ukraine nicht reichen sollten, sagte er, werde man „der außergewöhnlichen Notsituation“ in der Ukraine begegnen und der eigenen Verantwortung gerecht werden. Die Worte „außergewöhnliche Notsituation“ werden gewöhnlich in Zusammenhang mit einem Aussetzen der Schuldenbremse verwendet. Ein Punkt, gegen den Lindner bislang vehement kämpft.
Auch Grünen-Haushaltsexperte Sven-Christian Kindler setzte ein Thema, das seiner Partei besonders wichtig ist. Ihm sei unklar, „wie man ernsthaft in dieser aktuellen Weltlage die humanitäre Hilfe und die Entwicklungszusammenarbeit so drastisch kürzen kann“. Darüber werde in den nächsten Monaten „sehr konkret“ zu reden sein.
Auch dies war vor allem auf Betreiben des Finanzministers geschehen. So wurde deutlich, dass die Haushaltsberatungen in den kommenden Wochen alles andere als ruhig verlaufen werden – wegen der Lücken im bisherigen Etatentwurf und wegen der unterschiedlichen Denkschulen. Verabschiedet wird der Etat 2025 voraussichtlich Ende November.
An den Eckdaten kann sich bis dahin noch einiges verändern, denn im Oktober wird es noch eine Konjunkturprognose und eine Steuerschätzung geben. Bislang will die Ampel-Regierung im nächsten Jahr fast 490 Milliarden Euro ausgeben, mehr als ein Zehntel – genauer 51,3 Milliarden – davon auf Pump. Das ist laut Grundgesetz trotz Schuldenbremse möglich, unter anderem weil die Wirtschaft taumelt. Mit Abstand größter Posten unter den Ministerien ist der Sozialetat mit 179 Milliarden Euro. Ein Großteil davon ist durch gesetzlich garantierte Leistungen wie das Bürgergeld schon gebunden.
Fraglich ist, wie die bestehenden Milliardenlücken geschlossen werden sollen. Zwar machten sowohl Lindner als auch SPD-Politiker Rohde deutlich, dass die sogenannte globale Minderausgabe von zwölf Milliarden Euro in den nächsten Wochen noch auf unter zehn Milliarden Euro verkleinert werden muss. Doch es blieb offen, wie dies gelingen kann.
Karsten Seibel ist Wirtschaftsredakteur in Berlin. Er berichtet unter anderem über Haushalts- und Steuerpolitik.