Jetzt geht es wieder los. Schon bald wird es wieder heißen,
Israel sei der Aggressor und nicht der Angegriffene. Israel breche das
Völkerrecht. Israel gefährde den Weltfrieden. Eine „Eskalation der
Gewalt“ sei dringend zu vermeiden. Die „Gewaltspirale“ müsse
unbedingt zurückgedreht werden. Ein neuer „Flächenbrand“ drohe in
Nahost.
Und nicht zuletzt wird es schon bald wieder heißen: Israels
Premierminister Benjamin Netanjahu handele einzig und allein aus
innenpolitischen Gründen. Um sich weiter an der Macht zu halten. Um von den
innenpolitischen Problemen abzulenken. Um den Fokus der Staatengemeinschaft vom
Krieg im Gazastreifen gegen die palästinensische Terrororganisation Hamas
wegzulenken.
Diese Zeilen habe ich am Freitagmorgen, kurz nach den
Angriffen Israels auf die iranischen Atomanlagen, in einem ersten Entwurf für
einen Kommentar zu Papier gebracht. Sechs Tage später, am
Donnerstag, musste ich beim Schreiben dieses Textes feststellen: Genau jener
oben beschriebene Zustand ist schon längst eingetreten. Die öffentliche Meinung
ist – wieder einmal – weitgehend gegen den jüdischen Staat, den Juden unter den
Staaten, gerichtet.
Zur Erinnerung: Wie jedes Land der Welt hat auch Israel
alles Recht der Welt, seine Existenz zu sichern, sich zu verteidigen und seine
territoriale Integrität zu verteidigen. Oder konkreter: Israel hat alles Recht
der Welt, sich gegen das iranische Atomprogramm zur Wehr zu setzen. Teheran hat
unzählige Male angekündigt, Israel auszulöschen. Die Vernichtung Israels ist
Teil der iranischen Staatsräson. Ein solches Regime darf niemals in den Besitz
von Atombomben gelangen. Denn die Auslöschungsankündigungen sind keine bloßen
Lippenbekenntnisse, sondern todernst gemeint. Iran ist Terrorexporteur Nummer
eins in Nahost. Den 7. Oktober 2023, das größte und schlimmste Massaker an
Juden seit dem Holocaust, hätte es ohne die Mullahs in Teheran nie gegeben.
Ebenso wenig die monatelange Vertreibung von 80.000
israelischen Bürgern und versuchte ethnische Säuberung im Norden des Landes
durch die von dem Iran bis an die Zähne bewaffnete libanesische
Terrororganisation Hisbollah.
Die Israelis sind nicht naiv: Iranische Atomwaffen werden in
dem Moment, wo sie fertiggestellt sind, auf den jüdischen Staat zielen. Die
Israelis wissen: Eine Konsequenz aus der jüdischen Geschichte ist, dass Juden
es ernst nehmen müssen, wenn eine ultraaggressive und totalitäre Kraft wie der
Iran ankündigt, einen staatlichen Massenmord zu begehen. Die Israelis wissen:
Zur Logik des Nahen Ostens gehört es oftmals, dass Schwäche sofort bestraft wird
– und nur Abschreckung und Stärke das eigene Überleben sichert. Die Israelis –
wohlgemerkt vom linken über das zentristische bis hin zum rechten Spektrum –
wissen: lieber schlechte Presse als schöne Nachrufe.
Unterdessen finden viele meiner Journalistenkollegen in Deutschland keine klaren Worte zum Mullah-Regime,
stattdessen wird Israel lieber eines angeblichen Bruchs des Völkerrechts
bezichtigt. Das fragt nicht etwa, wer die Mullahs in
ihrem Atomwahn stoppt, sondern: „Wer stoppt Benjamin Netanjahu?“ Israels Premierminister eskaliere mit den Angriffen auf
militärische Ziele im Iran angeblich die Situation in Nahost, um von seinen
innenpolitischen Problemen abzulenken. Hand aufs Herz: Vieles ist komplex im
Nahen Osten, oft gibt es keine einfachen Antworten, schon gar nicht in Israel.
Doch hier ist es ganz einfach: Israel eskaliert nicht. Israel reagiert. Israel
provoziert keinen Krieg. Israel ist der Krieg schon längst erklärt worden.
Doch auch die ist sich sicher:
„Völkerrechtler sprechen von einem illegalen Angriff auf Iran, doch Europa
stellt sich hinter Israel.“ Europa zerstöre deshalb seine Glaubwürdigkeit,
ist sich die Zeitung sicher. Nicht derjenige ist also der Aggressor, der
angekündigt hat, einen Staat auszulöschen, und bislang auch alles dafür getan
hat, um dieses Ziel zu erreichen, sondern der Angegriffene selbst. Würde das
Blatt auch so argumentieren, wenn es sich bei dem angegriffenen Land nicht um
Israel, sondern um die Schweiz handeln würde? Schwer vorstellbar.
Auch in der ZEIT sind bislang überwiegend Texte mit
entsprechender Ausrichtung erschienen. Matthias Naß etwa konstatiert: „Krieg
und Hybris: Mit den fortgesetzten Angriffen auf den Iran geht Israels Regierung
zu weit. So verprellt sie noch ihre letzten Freunde.“
Sein ZEIT-Kollege Mark Schieritz spricht sich gegen die
Angriffe Israels auf die iranischen Atomanlagen aus – und betont: „Das
Völkerrecht schützt auch Schurkenstaaten. Ohne verbindliche Regeln bleibt nur
das Recht des Stärkeren.“