Die schwarz-rote Regierung ist noch gar nicht im Amt – und schon gibt es Aufregung! Die Befürchtung: Union und SPD wollen das Lügen verbieten.

Für Wirbel sorgt vor allem der Absatz „Umgang mit Desinformation“ im Koalitionsvertrag. Dort heißt es: „Die bewusste Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen ist durch die Meinungsfreiheit nicht gedeckt.“ Die staatsferne Medienaufsicht solle deshalb „unter Wahrung der Meinungsfreiheit“ u. a. „gegen Hass und Hetze“ und „Informationsmanipulation“ vorgehen.

In BILD erklären kritische Juristen, was das Lügen-Verbot bedeutet und wie gefährlich es sein kann.

▶︎ Was sind „falsche Tatsachenbehauptungen“?

Laut Medienanwalt Joachim Steinhöfel (62) lassen sich Tatsachen im Unterschied zu Meinungen beweisen.

Falsch wird die Tatsache, wenn man etwas sagt, das nicht stimmt. Beispiel: Die Erde ist eine Scheibe. Rechtsprofessor Volker Boehme-Neßler (62, Uni Oldenburg): „Das ist die klassische Lüge.“

► Ist die „bewusste Verbreitung“ nicht durch die Meinungsfreiheit geschützt?

„Doch“, sagen die Juristen. „Ich darf Unsinn erzählen, wenngleich ich mich lächerlich mache. Das ist meine Freiheit“, sagt Boehme-Neßler und mahnt: „Der Staat greift hier massiv in den Alltag ein.“ Denn jede Alltagslüge wäre strafbar.

Strafrechtler Udo Vetter (60): „Nirgendwo steht geschrieben, dass man verpflichtet ist, nur wahre Tatsachen zu verbreiten.“

Was sind Hass und Hetze?

Das weiß niemand genau. Anwalt Steinhöfel: „Unser Strafgesetzbuch kennt diese Floskel gar nicht.“ Vetter: „Der Begriff ist so schwammig, das ist im Rechtsstaat unzulässig.“

„Das ist die Einführung der Zensur“

▶︎ Wer macht sich strafbar?

Steinhöfel: „Das wird sich zeigen, wenn entsprechende Gesetzesentwürfe vorgelegt werden. Bisher existieren diese nicht.“

▶︎ Wer ist die „staatsferne Medienaufsicht“?

Laut Boehme-Neßler die Landesmedienanstalten. Er warnt: „Der Staat will die Aufsicht der Medien ausweiten.“ Dabei sei die Aufsicht grundsätzlich nicht vereinbar mit der Medienfreiheit.

Vetter: „Im Prinzip ist das die Einführung der Zensur.“

▶︎ Was bedeutet das für kleine Seiten und Blogs?

Steinhöfel: „Diese sind teilweise schon jetzt den rechtswidrigen Einschüchterungsversuchen der Medienanstalten ausgesetzt.“ Boehme-Neßler: „Wenn ein Seitenbetreiber nicht aufpasst, dann muss er ein Bußgeld zahlen. Das kann ihn ruinieren.“

▶︎ Wie ist die aktuelle Lage?

Es gibt bereits ein Sperr- und Lösch-Gesetz (NetzDG), das Plattformen verpflichtet, offensichtlich strafbare Inhalte zu entfernen. Außerdem regelt das Strafgesetzbuch u. a. die Fälle von Beleidigung, übler Nachrede, Verleumdung und Politiker-Beleidigung.

An Letzterer gibt es Kritik. Jüngstes Beispiel: David Bendel, Chefredakteur des AfD-nahen „Deutschland-Kurier“ wurde zu sieben Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt, weil er ein manipuliertes Foto von SPD-Bundesinnenministerin Nancy Faeser geteilt hatte.

Selbst Grünen-Politikerin Ricarda Lang (31) kritisierte, dass das Urteil nichts mehr mit Verhältnismäßigkeit zu tun habe.

Zum schwarz-roten Plan sagt Boehme-Neßler deshalb: „Wir haben schon jetzt einschränkende Gesetze. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht zu viel einschränken, sonst bleibt von der Meinungsfreiheit nicht mehr viel übrig.“