Er ist jetzt der starke Mann der SPD: Lars Klingbeil (47) soll die Sozialdemokraten durch die Koalitionsverhandlungen mit CDU-Wahlsieger Friedrich Merz (69) führen. Dafür will ihm die SPD die doppelte Macht geben: als Partei- und Fraktionschef.

Angesichts der drohenden Wahlklatsche hatte Klingbeil in den vergangenen Tagen Bündnisse mit anderen Partei-Schwergewichten geschmiedet. Alle wussten: Die Partei braucht noch am Wahlabend eine Personallösung, die sie sofort handlungsfähig macht, wenn Merz anruft und Koalitionsverhandlungen anbietet.

Klingbeil verständigte sich mit Noch-Fraktionschef Rolf Mützenich (65). Der Plan: Mützenich schlägt Klingbeil noch am Sonntagabend als seinen Nachfolger vor. Klingbeil berief für 21.30 Uhr eine Präsidiumssitzung im Willy-Brandt-Haus ein.

Zwei Stunden saß die engste Parteiführung zusammen. Am Ende stellten sich alle einstimmig hinter den Vorschlag, Klingbeil die doppelte Macht zu geben. Damit soll er trotz der 16-Prozent-Niederlage auf Augenhöhe mit seinem Unions-Gegenspieler Friedrich Merz (selbst auch Partei- und Fraktionschef) kommen.

Am Mittwoch will sich Klingbeil zum Fraktionschef wählen lassen.

Damit ist Klingbeil die Nummer 1 der SPD. Der abgewählte Kanzler Olaf Scholz (66) ist Geschichte, sein wichtigster Unterstützer Fraktionschef Rolf Mützenich auch. Beide sind ab nun einfache Bundestagsabgeordnete.

Wer im Machtgefüge der SPD allerdings eine gewichtige Rolle spielen soll, ist Verteidigungsminister Boris Pistorius (63). Für ihn, den beliebtesten Politiker des Landes, soll die Klingbeil-Ankündigung nach einem Generationenwechsel ausdrücklich nicht gelten.

Noch am Wahlabend betonten Klingbeil und Pistorius wechselseitig, wie eng sie sich abstimmen würden. Und Pistorius machte dann auch gleich selbstbewusst klar, dass er einen Platz im Hauptverhandlungsteam für Koalitionsverhandlungen beanspruche. Offenbar auch das in Absprache mit Klingbeil.

Ein Genosse zu BILD: „Die Aufteilung zwischen Klingbeil und Pistorius könnte so gehen: Lars führt Partei und Fraktion, Boris übernimmt ein wichtiges Ministerium und vielleicht das Vizekanzleramt, wenn Lars nach Bildung einer Koalition nicht ins Kabinett wechselt.“

Allerdings gibt es noch zwei weitere SPD-Schwergewichte aus Niedersachsen: Arbeitsminister Hubertus Heil (52) und Generalsekretär Matthias Miersch (56). Mit seiner Expertise als erfahrenster Arbeitsmarktexperte hat Heil ein Alleinstellungsmerkmal unter den Spitzenmännern. Allerdings ist sein Verhältnis zu Klingbeil nicht ganz reibungsfrei.

Miersch würde mindestens gerne Generalsekretär bleiben und verweist darauf, dass er erst seit Oktober im Amt sei und als Neuling wenig mit dem Wahldesaster zu tun habe.

Bleibt das Problem mit den Frauen: An Co-Parteichefin Saskia Esken (63) gibt es schon länger Kritik. Sie könnte beim nächsten Parteitag (spätestens im Dezember) ausscheiden. An die Seite von Klingbeil, der gerne Parteichef bleiben möchte, könnte dann z.B. die bisherige Parlamentspräsidentin Bärbel Bas (56) aufrücken.

Am Montagmorgen kommt der SPD-Parteivorstand im Willy-Brandt-Haus zusammen. Dann wird Klingbeil sehen, auf wie viel Widerstand seine Machtpläne stoßen.

Ein Top-Genosse zu BILD: „Partei- und Fraktionsführung in einer Person zu vereinigen macht uns für die Verhandlungen mit der Union stärker. So eine Doppelrolle hat aber auch ein großes Risiko. Da muss Klingbeil aufpassen, gerade nach so einer verheerenden Wahlniederlage.

Nicht, dass es so ausgeht wie bei Andrea Nahles.“ Die hatte von 2018 bis 2019 beide Ämter inne. Bis sie nach der ständigen Kritik an ihr beide Posten entnervt hinwarf.