Stendal (Sachsen-Anhalt) – VW Passat, Polo und Audi A4 stehen auf dem Platz des Gebrauchtwagenhändlers, auch Mercedes und Golf mit Unfallschaden. Doch ein geparktes Mobil sticht heraus: 14 Meter lang, sieben Meter Spannweite, Höchstgeschwindigkeit: 2230 km/h. Ein Kampfjet!
Wie kam die MiG zum Autohändler? BILD hat sich auf die Suche begeben.
Der Autoplatz in Stendal (Sachsen-Anhalt) ist verwaist, der Händler im Urlaub. Eine erste Spur zur Geschichte des Fliegers findet sich an seinem Rumpf: die Ziffern 23 und 59, eine alte Kennung der Bundeswehr. Da alle Flugzeuge der Luftwaffe im Internet gelistet sind, lässt sich die Geschichte des Kampfjets schnell nachzeichnen.
1972 von der DDR in Dienst gestellt
Es ist ein sowjetischer Abfangjäger, Typ MiG 21-UM.
1972 wurde der Kampfjet bei der Nationalen Volksarmee der DDR in Dienst genommen. Mit der Nummer 212 war er Teil des Jagdfliegergeschwaders 3 „Wladimir Komarow“, stationiert in Cottbus (Brandenburg).
Nach der Wende übernahm die Luftwaffe den Russen-Jet
Die MiG 21-UM ist ein Schuldoppelsitzer, hat einen zusätzlichen Platz für den Fluglehrer, der mit einem Periskop am Flugschüler vorbeischauen konnte. Für Kampfjet-Nerds: Schleudersitz, Autopilot AP-155, halbautomatisches Kreiselvisier ASP-PFD-21.
37 Exemplare des Flugzeugs, auch „Erzeugnis 69“ genannt, gehörten zur Flotte der NVA.
Nach dem Ende der DDR wurde die MiG in das Geschwader der Luftwaffe übernommen – daher die Kennung „23+59“ am Rumpf – und bald schon ausgemustert: zu alt, technisch überholt.
An dieser Stelle wird der genaue Weg, den Nummer 212 durch das vereinte Deutschland nahm, etwas unscharf.
Museum hatte keinen Platz mehr für die MiG
Die MiG des ehemaligen Jagdfliegergeschwaders 3 gingen in das Eigentum des Luftwaffenmuseums in Berlin-Gatow über. Weil dort nicht genug Platz für so viele Maschinen war, wurden einige als Leihgabe bei anderen Museen geparkt. Drei landeten entwaffnet und fluguntauglich auf dem Flugplatz in Dessau, wo sie eine Weile am Technikmuseum standen. Bis man auch dort keine Verwendung mehr für die Flieger hatte.
Hier wird der Abschleppdienst Freytag aus Stendal Teil der Geschichte.
Der bekam 1994 den Auftrag, mit einem Spezial-Kran eine MiG-21US (NVA-Kennung 246) von Dessau (Sachsen-Anhalt) zum Flugplatz in Stendal-Borstel zu transportieren. Fred Freytag (58): „Wir schleppen alles ab: Autos, Busse, Boote, Hubschrauber. Die MiG kann man ganz einfach transportieren: Die Tragflächen werden abgeschraubt, und dann ab auf den Tieflader.“
Freytag erfuhr von den übrigen zwei MiGs. „Die mussten ziemlich schnell geräumt werden“, erinnert sich der Abschleppunternehmer. „Wir haben beide Flieger gekauft – für eine symbolische Summe.“
Die MiG-21bis mit der Nummer 875 stellte Freytag seinem Unternehmen im Ortsteil Staffelde aufs Dach, das zweite Flugzeug einem befreundeten Autohändler auf den Hof.
„Die Flieger gehören zur Familie“
„Hier sind auch schon Piloten vorbeigekommen, die sich die Maschine mal genau anschauen wollten“, sagt Freitag. „Amerikaner, Deutsche, sogar ein Russe, der mal über Afghanistan abgestürzt ist.“
Ein wichtiger Hinweis für Militär-Sammler: Auch wenn eine seiner beiden MiGs zwischen Gebrauchtwagen steht, sucht man das Preisschild vergeblich. „Die Flieger sind unverkäuflich“, sagt Freytag. „Sie gehören jetzt zur Familie.“