Frankreichs Rechte ist nach dem Schuldspruch gegen Marine Le Pen (56), Chefin des „Rassemblement national“ (RN, früher „Front national“) in Aufruhr.

Der Grund: Durch das Polit-Beben wurde ihr Machtplan durchkreuzt. Die Strategie der Rechtspopulisten war, dass Le Pen 2027 bei der Präsidentschaftswahl Nachfolgerin von Emmanuel Macron wird, der kein drittes Mal kandidieren darf – und ihr politischer Ziehsohn, Parteichef Chef Jordan Bardella (29), später Premierminister.

Urplötzlich rückt Bardella, Sohn einer italienischen Mittelstandsfamilie, durch das Ämterverbot für Le Pen in die erste Reihe: RN-Führungskräfte haben bereits im Vorfeld des Urteils erkennen lassen, dass Bardella der wahrscheinliche Ersatzkandidat 2027 sein wird. „Es ist kein Geheimnis, dass Jordan Bardella bestens platziert wäre, um 2027 anzutreten“, sagte RN-Vizechef Louis Aliot dem Sender TF1.

Frankreich-Präsident mit Anfang 30?

Nur: schon mit Anfang 30 Präsident des flächenmäßig größten EU-Landes, noch dazu der einzigen Atommacht?

Macron war 39, als er zum bislang jüngsten Präsident der „Grande Nation“ gewählt wurde. Österreichs Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz war 31, als er zum weltweit jüngsten Regierungschef ernannt wurde. Doch der ging selbst im vergleichsweise gemütlichen Wien schnell baden.

Die Wählerstimmung könnte für seine Kandidatur sprechen: In Umfragen zur Präsidentschaftswahl lag Le Pen zuletzt vorn. Bardella gilt unter jungen Parteianhängern als mindestens so populär. Er schaffte es mit TikTok-Videos, meist in Jackett und Krawatte, sogar in die Top 50 der beliebtesten Franzosen – als einziger Politiker des Landes.

Der Politikwissenschaftler Arnaud Benedetti, der ein Buch über den RN geschrieben hat, bleibt trotzdem skeptisch: „Ich bin nicht sicher, ob Jordan Bardellas politisches Angebot ausgereift genug ist, um bei der Präsidentschaftswahl glaubwürdig konkurrieren zu können“, sagt er.

„Die französische Demokratie wurde getötet“

Zu Bardellas Nachteilen zählt, dass er weder in der Lokalpolitik verankert ist, noch als wirklich selbstständig denkender Politiker aufgefallen. Seine euroskeptische, einwanderungs- und islamfeindliche Haltung ist streng auf Parteilinie. Als Vorteil erweisen könnte sich, dass er mit der französischen Elite – Bardella wurde in der rauen Vorstadt groß, sein Sport ist Boxen – nichts am Hut hat.

Noch hat er sich nicht selbst zu seinen persönlichen Ambitionen geäußert. Bardella ergriff lediglich Partei für die zusammen mit 23 früheren Mitstreitern wegen Veruntreuung verurteilte Chefin: „Heute wurde nicht nur Marine Le Pen zu Unrecht verurteilt. Die französische Demokratie wurde getötet.“

An seiner Loyalität zu Le Pen hat „Schordann“, wie ihn die Franzosen aussprechen, bislang keinen Zweifel erkennen lassen: „Sie ist der politische Führer, ich bin der General der Armee“, erklärte er einmal.

Bis 2024 gehörte er auch privat quasi zur Familie: Bardella war mit Nolwenn Olivier (27) liiert, einer Nichte von Marine Le Pen – und Enkelin des Parteigründers und Holocaust-Leugners Jean-Marie Le Pen (†96), der ebenfalls EU-Geld veruntreut haben soll, aber bereits prozessunfähig war. Er starb im Januar, zwei Monate vor dem politischen Absturz seiner Nachfolgerin an der Parteispitze.