Mitunter taten sie schon beim Zuschauen weh, die abenteuerlichen Verrenkungen, die gestandene Politiker der Nato in Den Haag vollführten, um Donald Trump bei der Stange zu halten. Doch dieser Gipfel der Absurditäten war von Erfolg gekrönt. Die für Europa essenziellen Sicherheitsgarantien der US-Amerikaner – sie sind fürs Erste wieder verbrieft. Der US-Präsident hat sich zu ihnen klar und deutlich bekannt. Dafür stimmen die Europäer einer neuen Lastenverteilung zu, die sie zwar teuer zu stehen kommt, die aber auch angesichts der russischen Bedrohung überfällig war. Einen entscheidenden Anteil an diesem Erfolg hat der deutsche Bundeskanzler.
Friedrich Merz war es, der dafür gesorgt hat, dass jenes Deutschland, das lange die Zusagen zu den eigenen Verteidigungsausgaben verschleppte und damit Ärger in den USA schürte (längst nicht nur bei Trump), nun vorangeht mit der Neuaufstellung der Nato, in der die Europäer mehr für ihre eigene Sicherheit und die Amerikaner weniger bezahlen. Die deutsche Vorreiterrolle hat es möglich gemacht, dass nun viele in der Nato folgen wollen. Merz erzählt gern, dass Deutschland unter seiner Führung „zurück“ sei – an diesem Punkt hat er tatsächlich recht.
Der Kanzler konnte den Partnern in Den Haag eine „Revolution“ präsentieren, so soll er es hinter verschlossenen Türen formuliert haben, und das durchaus glaubhaft. Das Grundgesetz ist geändert, Deutschland wird sehr viel Geld für Sicherheit ausgeben. Ausgerechnet jenes Manöver hat ihm zu Hause viel Misstrauen eingebracht, kaum verwunderlich: Behauptete Merz doch im Wahlkampf felsenfest, man könne all das leisten, wenn nur kräftig gespart werde. Doch auf der internationalen Bühne hat dieser abrupte Meinungsumschwung seiner Glaubwürdigkeit und der Deutschlands nicht geschadet, im Gegenteil, im Rahmen der Nato hat er sie gestärkt.
Wie zu Willy Brandts Zeiten
Die Einigung der Nato-Mitglieder auf ein Ausgabenziel von 5 Prozent war die Voraussetzung dafür, dass Trump sich sowohl im Abschlussdokument als auch in seinen Äußerungen klar zur Beistandspflicht des Artikels 5 bekannte. Und dass Deutschland die Verteidigungsausgaben sogar bis 2029, schneller als andere, entsprechend steigern will, war ein starkes Signal – dafür gab es ausdrückliches Lob von Trumps Nato-Botschafter Matthew Whitaker.
Ja, die Marke von 5 Prozent ist Trumps Gehirn entsprungen, absurd ist sie allerdings nicht. Es geht letztlich um 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, das in die Verteidigung investiert werden soll. So viel bleibt nach Abzug von vage definierten Infrastrukturausgaben von 1,5 Prozent übrig. Auf eine solche Quote kam die Bundesrepublik auch unter Willy Brandt und heute ist sie angesichts der Bedrohungslage durch ein Russland, das schon lange aufrüstet und Europa hybrid angreift, nicht nur vertretbar, sondern geboten.
Wer nun meint, es habe doch nichts auf dem Spiel gestanden, möge sich etwa an folgende Begebenheiten erinnern: Wie Trump auf dem Nato-Gipfel 2018 die Deutschen anfuhr und mit einem Austritt aus der Nato drohte. Wie er durch den Wahlkampf 2024 tourte mit dem Satz, wer nicht zahle, werde auch nicht beschützt. Wie Trump und seine Mitstreiter JD Vance und Pete Hegseth noch im Frühjahr 2025 so klangen, als würden sie lieber heute als morgen Europa sich selbst überlassen. In diesem Europa aber kann man die militärischen Fähigkeiten der Amerikaner bislang nicht ersetzen.
Wie lange Trumps Den Haager Versprechen gilt, wonach die Nato-Partner die kommenden vier Jahre auf ihn zählen könnten, weiß freilich niemand. Merz darf also nur kurz aufatmen, zum einen wegen Trumps Wankelmut, zum anderen auch deshalb, weil die eigentliche Arbeit noch vor ihm liegt.