Seit Mai arbeitet Ole Trumpfheller, 46, für den dänischen Schifffahrts- und Logistikkonzern Maersk als Managing Director North Europe Continent mit Sitz in Hamburg. Sein Arbeitsbereich umfasst Deutschland, Österreich, die Schweiz, die Beneluxstaaten und Polen – es ist die drittgrößte Länderorganisation von Maersk nach China und Nordamerika. Maersk, die zweitgrößte Linienreederei der Welt, hat für den Hamburger Hafen großes Gewicht. Und es steigt noch, weil Maersk und die Hamburger Reederei Hapag-Lloyd im Februar ihre Allianz Gemini Cooperation starten. Deren Vermarktung begann diese Woche. Trumpfheller sagte WELT AM SONNTAG, was das Bündnis für die Logistik in der Stadt bedeutet und was Maersk in Hamburg vorhat.
WELT AM SONNTAG: Herr Trumpfheller, Maersk war jahrzehntelang die größte Linienreederei der Welt, nun ist es die nach MSC zweitgrößte. Seit einigen Jahren wird Maersk hin zu einem Logistikkonzern neu ausgerichtet, mit Schifffahrt, Logistik an Land und Luftfracht. Was steckt dahinter?
Ole Trumpfheller: Diese Transformation läuft bei Maersk seit 2016. Sie umfasst alle Teile der logistischen Wertschöpfungskette und geht in der Tat weit über das klassische Schifffahrtsgeschäft hinaus. Bei dieser Entwicklung dabei zu sein, die schon einzigartig ist, das war für mich der Hauptgrund, zu Maersk zu wechseln. Ich komme aus der Logistikbranche und habe zuletzt für DB Schenker gearbeitet. In der Logistikbranche war Maersk, gemessen am Umsatz, noch vor einigen Jahren Nummer 31, nun steht es in den Top Ten. Und das Ziel ist, weiter nach vorn zu kommen. Entscheidend ist: Uns gehören die Assets, das Anlagevermögen entlang der Logistikkette, die Schiffe und Flugzeuge, Lastwagen und Lagerhäuser. Wir haben die Kontrolle über die Transportwege unserer Kunden und schaffen mit unserer eigenen IT Transparenz über die transportierten Güter. Das wird immer wichtiger, und das macht ein klassischer Spediteur so nicht.
WAMS: War die Pandemie der Treiber für diese Entwicklung bei Maersk?
Trumpfheller: Den logistischen Integrationsprozess hat Maersk schon Jahre vor dem Beginn der Pandemie gestartet. Richtig ist aber auch: Durch die multiplen Krisen, die wir derzeit erleben, entsteht in der Logistikbranche eine Dynamik, die ich so stark in meinem bisherigen Berufsleben noch nicht erlebt habe. Wir gehen seit einigen Jahren durch eine steile Lernkurve bei der Stabilität der Transportketten. Das gilt auch für die Umleitung der Schiffe zwischen Asien und Europa um Südafrika herum, seit das Rote Meer Ende 2023 – und damit auch der Suezkanal – für die Passage wegen der Angriffe der jemenitischen Huthi auf die Handelsschifffahrt zu riskant geworden ist.
WAMS: Maersk bildet von Februar an mit Hapag-Lloyd die neue Schifffahrtsallianz Gemini. Hapag-Lloyd wird deshalb etwa zehn Prozent seiner Containerladung aus Hamburg nach Wilhelmshaven verlegen. Welche Auswirkungen hat Gemini auf die Ladung von Maersk in Hamburg?
Trumpfheller: Auf das Volumen unserer Ladung in Hamburg sehen wir zunächst mal keine Auswirkungen. Heute fährt ein Maersk-Dienst, der AE7, aus Asien Hamburg direkt an. In der Gemini Cooperation werden es ab Februar zwei Direktverbindungen sein. Es ist zwar nicht Teil der Gemini Cooperation, aber auch unsere Ladung von der Ost- und Westküste Südamerikas wird vor allem in Hamburg bei Eurogate umgeschlagen. Das sind vier direkte Dienste.
WAMS: Das ist vor allem Ladung der von Maersk im Jahr 2016 übernommenen Reederei Hamburg Süd.
Trumpfheller: Ja, ein Großteil sicher. Hamburg Süd hat in dem Fahrtgebiet eine große Tradition gehabt.
WAMS: Welche Bedeutung hat der Standort Hamburg für Maersk?
Trumpfheller: Hamburg ist unser sogenanntes Head Office für die Region Nord Europa Kontinent, unsere drittgrößte Geschäftsregion überhaupt. Hier im Johann Kontor arbeiten derzeit etwa 1200 Mitarbeiter für Maersk, darunter auch viele Mitarbeiter von Unternehmen, die Maersk im Laufe der Jahre übernommen hat wie etwa Hamburg Süd oder Senator International. Das ist unser Statement für den Standort: In Hamburg spielt die Musik, wenn es um die Logistik der Zukunft und um maritime Themen geht, speziell für Nordeuropa. Man darf den Hamburger Hafen nicht nur isoliert mit dem Umschlag an den Kaikanten sehen und bewerten. Hamburg ist schon ein Logistikstandort von globalem Rang rein über den inneren Hafen hinaus, zum Beispiel auch durch die hervorragenden Bahnanbindungen der Terminals, aber auch durch zahlreiche Logistikunternehmen im näheren Umfeld. Uns geht es darum, Knowhow hierher zu bringen und Talente hier am Standort zu bündeln.
WAMS: Bleibt es mittelfristig bei den derzeit rund 1200 Menschen, die für Maersk in Hamburg arbeiten?
Trumpfheller: Nein, diese Zahl soll signifikant zunehmen. Auch insgesamt in der Region Nord Europa Kontinent, für die ich verantwortlich bin und in der wir zurzeit etwa 3500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben. Logistik wird auch in Zukunft ein sehr stark von Menschen und persönlichen Kontakten getriebenes Geschäft sein.
WAMS: Wäre es sinnvoll, dass Maersk auch Luftfracht über Hamburg leitet?
Trumpfheller: Für reine Frachtflieger ergibt das im europäischen Netzwerk der Branche wenig Sinn. Trotzdem sitzen hier in Hamburg viele Experten für die Koordination der Frachtströme von Maersk Airfreight. Wir fliegen mit unseren eigenen Frachtflugzeugen zum Beispiel täglich vom dänischen Billund direkt nach China. Andere Zentren für unser Luftfracht-Geschäft sind Lüttich und Frankfurt-Hahn. Unser Geschäft mit Luftfracht wird wesentlich auch von Hamburg aus gesteuert.
WAMS: Einige Jahre lang hat Maersk gemeinsam mit MSC die Allianz 2M betrieben, die 2025 von Gemini abgelöst wird. Fast zeitgleich übernimmt MSC nun bis zu 49,9 Prozent am Hamburger Hafenlogistik-Konzern HHLA und wird damit zum größten privatwirtschaftlichen Akteur im Hamburger Hafen. In Hamburg gab es dagegen viel Widerstand. Für Maersk könnte das ein Problem werden.
Trumpfheller: Überhaupt nicht. Das ist für Maersk eine völlig normale Entwicklung. MSC wird sich auf den Terminals in Hamburg so wettbewerbsneutral verhalten wie sonst überall auch auf der Welt und wie es natürlich auch APMT, unser Tochterunternehmen, auf seinen Terminals tut. Mit dieser Investition und dem Aufbau seiner künftigen Deutschlandzentrale im Hafen zeigt ja auch MSC, wie wichtig der Standort Hamburg ist. Das wird Hamburg als Hafen- und Logistikstandort insgesamt stärken.
WAMS: Was könnte Hamburg im Hafen verbessern?
Trumpfheller: Bei den Bahnanbindungen ist Hamburg hervorragend aufgestellt, wie gesagt. Bei den Straßenzugängen in den Hafen und aus ihm heraus gibt es in Hamburg zu viele Engpässe, das müsste besser werden. Und natürlich muss irgendwann ein Nachfolgebauwerk für die Köhlbrandbrücke zur Verfügung stehen.
WAMS: Wie sieht es in der neuen Allianz Gemini mit den Terminals in Bremerhaven und Wilhelmshaven aus?
Trumpfheller: Hapag-Lloyd hat vor einigen Jahren von Maersk die Anteile am JadeWeserPort in Wilhelmshaven übernommen und investiert nun dort gemeinsam mit dem Mehrheitseigner Eurogate in den Ausbau der Anlagen. Für Maersk steht neben unserem eigenen Terminal in Rotterdam hier in Deutschland vor allem unser Gemeinschaftsterminal mit Eurogate in Bremerhaven im Fokus, wenn es um die künftige Linienführung bei Gemini geht. Hamburg bekommt in der Gemini-Allianz aber zum Beispiel zwei von vier Direktanläufen von Maersk-Linien zwischen Europa und Fernost, einen von zwei Diensten aus dem Mittleren Osten/Indien und auch zwei unserer künftig vier Nordamerika-Dienste.
WAMS: Mit der Allianz Gemini führen Maersk und Hapag-Lloyd ein neuartiges, sogenanntes Hub and Spoke-Konzept mit Shuttle-Diensten ein. Wie unterscheidet sich das vom klassischen Feeder-Konzept, bei dem Ladung von Großcontainerschiffen auf kleineren Zubringern, den Feedern, zum Beispiel von Hamburg aus durch den Nord-Ostsee-Kanal zu ihrem Zielort in der Ostsee gebracht wird?
Trumpfheller: Die Gemini Cooperation wird in Nordeuropa drei zentrale Umschlagpunkte von den interkontinentalen Linien auf die sogenannten Shuttledienste haben, die sogenannten Hubs, das sind Rotterdam, Wilhelmshaven und Bremerhaven. Die Shuttledienste pendeln dann von einem dieser drei Häfen zwischen dem Zielhafen hin und her – zum Beispiel zum polnischen Gdansk (Danzig). Im Unterschied zum klassischen Feederverkehr sind die Shuttledienste reine Pendelverkehre zwischen zwei Häfen und damit sehr zuverlässig. Und die Schiffe, die wir dafür einsetzen, sind größer als es die Feeder zum Beispiel auf der Ostsee üblicherweise sind. Das können durchaus Schiffe mit 5000 oder mehr Containereinheiten (TEU) Kapazität sein. Allein auf unserem weltweit modernsten Terminal auf der Maasvlakte in Rotterdam – den das Maersk-Tochterunternehmen APMT betreibt – wird dafür die jährliche Kapazität von derzeit 2,6 Millionen Containereinheiten (TEU) auf 5,2 Millionen TEU verdoppelt.
WAMS: Der Terminal von APMT in Rotterdam ist noch stärker automatisiert als der HHLA-Terminal Altenwerder. Wie weit geht die Automatisierung an der Kaikante noch?
Trumpfheller: Die rein mechanische Automatisierung an der Kaikante – das Zusammenspiel von Containerbrücken, Lagerkränen und Automatikfahrzeugen – hat vermutlich in einigen Jahren sein Optimum erreicht. Es bleibt aber darüber hinaus noch ein großes Potenzial bei der Optimierung der Software, der Digitalisierung, zum Beispiel bei der Frage, zu welcher Zeit ein Container idealerweise an die Kaikante gebracht oder von dort weggeholt wird oder bei den einzelnen Bewegungen eines Containers vom Schiff herunter und auf das Schiff herauf. Das gesamte System lässt sich vermutlich mit Künstlicher Intelligenz noch weiter verbessern. Für Maersk sind die Terminals ein sehr wichtiges Bindeglied in den globalen Lieferketten. Für uns ist die Frage entscheidend, wie wir nach dem Abladen eines Containers vom Schiff die Produkte unserer Kunden deutlich schneller vom Terminal ins Hinterland verteilen können. Mit unserem neuen Crossdock-Logistikzentrum direkt auf dem Terminal in Rotterdam kann das seit Mai innerhalb weniger Stunden geschehen.
Der gebürtige Hamburger Ole Trumpfheller, 46, wuchs in Barmbek auf. Nach seiner Zeit als Fallschirmjäger bei der Bundeswehr und einem Wirtschaftsstudium arbeitete er von 2008 an in Führungspositionen beim Logistikkonzern DHL und seit 2021 bei der Bahntochter DB Schenker, dort zuletzt als Head of Global Operations. Beim Logistikkonzern Maersk ist er als Managing Director North Europe Continent zuständig für Deutschland, Österreich, die Schweiz, die Beneluxstaaten und Polen. Sein Team in Hamburg umfasst rund 1200 Frauen und Männer.
Olaf Preuß ist Wirtschaftsreporter von WELT und WELT AM SONNTAG für Hamburg und Norddeutschland. Die maritime Wirtschaft – Schifffahrt, Häfen und Schiffbau – zählt seit vielen Jahren zu seinen Schwerpunktthemen.