Die Lage in der Türkei spitzt sich weiter zu! Präsident Recep Tayyip Erdogan hat nach Ansicht des inhaftierten und abgesetzten Istanbuler Bürgermeisters Ekrem Imamoglu sein Heimatland in eine „Republik der Angst“ verwandelt.
„Jahrelang hat Erdogans Regime die demokratischen Kontrollmechanismen ausgehebelt, indem es Medien zum Schweigen brachte, gewählte Bürgermeister durch Bürokraten ersetzte, die Legislative ausschaltete, die Justiz kontrollierte und Wahlen manipulierte“, schrieb Imamoglu am Freitag vom Gefängnis aus in einem Gastbeitrag für die „New York Times“.
„Erdogan treibt die Türkei in Richtung Diktatur“
„Seit Jahren haben wir es in der Türkei mit einem Justizapparat zu tun, der unter der vollen Kontrolle von Erdogan ist“, erklärt auch Türkei-Experte Eren Güvercin (45) gegenüber BILD. Seit Jahren würden oppositionelle Politiker, Menschenrechtsaktivisten und kritische Journalisten „mit konstruierten Vorwürfen inhaftiert“. All das sei „nicht neu, auch wenn wir diese Realität in Deutschland in den letzten Jahren verdrängt haben und nicht sehen wollten.“
Düstere Aussichten: „Mit der Inhaftierung von Imamoglu treibt Erdogan die Türkei von einer Autokratie Richtung Diktatur“, sagt Güvercin.
Er fährt fort: „Aufgrund der immer stärker werdenden migrationspolitischen und sicherheitspolitischen Abhängigkeit von der Türkei hat sich die EU und Deutschland in der jüngsten Vergangenheit spürbar zurückgehalten mit einer Kritik gegenüber Erdogan.“
Seine Forderung: „Damit muss Schluss sein.“ Man dürfe „die Fehler, die Europa bei Putin gemacht hat, bei Erdogan nicht wiederholen. Die neue Bundesregierung muss die bisherige Türkei-Politik auf den Prüfstand stellen.“
Wie weit wird Erdogan gehen?
Die Festnahme von Ekrem Imamoglu löste eine Protestwelle mit Zehntausenden Menschen im gesamten Land aus. Die Polizei ging teils brutal gegen Demonstranten vor. Laut des türkischen Innenministeriums wurden fast 1900 Menschen vorübergehend festgenommen – unter ihnen mehrere Journalisten.
„Erdogan hat mit einem massiven Polizeiaufgebot, Demonstrationsverbot und der Inhaftierung von zahlreichen Protestierenden versucht, die Massenproteste aufzuhalten. Das hat nicht funktioniert“, sagt Güvercin.
Denn: „Insbesondere junge Menschen gehen auf die Straßen, und sie haben sich nicht einschüchtern lassen. Erdogan wirkt nervös“. Aber Güvercin gehe nicht davon aus, dass er einlenkt. „Ganz im Gegenteil muss man damit rechnen, dass er bei anhaltenden Massenprotesten umso härter gegen die Protestierenden vorgehen wird“.
► Imamoglu ruft aus seiner Haft zu weiteren Protesten auf: „Das Zeitalter der unkontrollierten Machthaber verlangt, dass diejenigen, die an die Demokratie glauben, genauso lautstark, energisch und unnachgiebig sind wie ihre Gegner“, schreibt er in seinem Gastbeitrag.
Können wir jetzt noch in der Türkei Urlaub machen?
Aus dem Auswärtigen Amt heißt es auf BILD-Anfrage: „Mit Blick auf die für diesen Samstag seitens der türkischen Oppositionspartei CHP erneut angekündigten Proteste beobachtet das Auswärtige Amt auch weiterhin eng die Lage vor Ort – und hat die Reise- und Sicherheitshinweise für die Türkei bereits am 24. März aktualisiert“.
► Noch gibt es vom Auswärtigen Amt keine offizielle Reisewarnung für die Türkei. Es wird auch nicht generell von Urlaub dort abgeraten. Es gibt jedoch einige Sicherheitshinweise der Behörde, die Reisende in den Metropolen Istanbul, Ankara und Izmir beachten sollten.
„Wir empfehlen zudem, sich vor einer Reise auf der Krisenvorsorgeliste ELEFAND zu registrieren“, heißt es aus dem Auswärtigen Amt gegenüber BILD.