Bitteres Geständnis von Grünen-Kanzlerkandidat und Noch-Wirtschaftsminister Robert Habeck.
Nach dem zermürbenden Dauerstreit in der Ampel-Regierung habe er sich zwar „entschieden, noch einmal zu kämpfen. Mit allem, was ich gelernt habe, mit aller Leidenschaft“.
Doch Mitte 2024 sah das noch ganz anders aus, berichtet der Vizekanzler – er dachte an Rückzug! „Im vergangenen Sommer bin ich in mich gegangen. Ich habe mich gefragt, ob ich noch einen sinnvollen Beitrag leisten kann oder ganz aufhören sollte mit der Politik“, berichtet Habeck im Interview mit dem „Spiegel“.
Der Grund für das Grübeln? „Die Erfahrung in der Ampel. Vertrauen hat gelitten. In die Politik insgesamt, in Personen, auch in meine.“ Im Sommer habe er sich gefragt, was er mit diesem Befund anfangen solle: „Kann ich noch Vertrauen zurückgewinnen – in meine Person, in die Grünen und in das demokratische System dieses Landes.“
Als Außenministerin Annalena Baerbock Mitte Juli ihren Verzicht auf die Grünen-Spitzenkandidatur verkündet habe, sei seine eigene Entscheidung noch offen gewesen, so Habeck. Erst nach Gesprächen mit Vertrauten sei ihm klar geworden, „dass die Partei mich trägt.“
Sein Vorteil im Wahlkampf? „Ich bin der Underdog.“ Aus diesem Grund hoffe er auf gute Chancen gegen Union, AfD und SPD, die in Umfragen vor seinen Grünen liegen.
Mehr Geld für die Bundeswehr!
Habeck sprach sich im „Spiegel“ für eine deutliche Anhebung der Rüstungsausgaben aus.
„Nach Berechnungen von Experten sind in den nächsten Jahren etwa dreieinhalb Prozent unserer Wirtschaftsleistung für Verteidigung nötig. Das teile ich“, sagte Habeck dem „Spiegel“: „Wir müssen fast doppelt so viel für unsere Verteidigung ausgeben, damit Putin nicht wagt, uns anzugreifen. Wir müssen den Frieden sichern und weiteren Krieg verhindern.“
Auf die Frage, wie die zusätzlichen Ausgaben finanziert werden sollten, sagte der Wirtschaftsminister: „Sicher nicht aus dem laufenden Haushalt und durch Kürzungen beim Bürgergeld. Das kann mathematisch-logisch gar nicht funktionieren.“ Eine derart hohe Summe lasse sich nur über Kredite vorfinanzieren. Die Schuldenbremse wolle er nicht abschaffen. Aber: „Wir müssen sie reformieren oder den Weg über Sondervermögen gehen.“
Zuletzt erreichte Deutschland dank des Sondervermögens für die Bundeswehr über 100 Milliarden Euro erstmals das Nato-Ziel, 2 Prozent der deutschen Wirtschaftskraft (Bruttoinlandsprodukt) für Verteidigung auszugeben. Das Sondervermögen läuft allerdings 2027 aus.
Über seine eigene Haltung zur Armee sagte Habeck: „Heute würde ich zur Bundeswehr gehen“. Im Kalten Krieg habe er noch den Kriegsdienst verweigert, doch die Lage sei nun eine andere. „Ich hätte heute kein moralisches Argument mehr zu verweigern“, so Habeck. „Ein Aggressor wie Putin nutzt Schwäche eiskalt aus.“