„Sollten Sie sich entscheiden, in einer der Evakuierungszonen zu bleiben, werden Sie sterben.“ Drastischere Worte als die der Bürgermeisterin der Stadt Tampa in Florida kann man sich kaum vorstellen. Sie machen deutlich, welche Gefahr auf den Bundesstaat in diesen Stunden zukommt.
Nur rund eine Woche nach dem Hurrikan Helene rast ein zweiter auf Floridas Westküste zu. Nicht irgendeiner – ein Monster. Milton ist zwischenzeitlich wieder in die Kategorie fünf eingestuft worden, also die höchste. Mit über 250 Stundenkilometern erreichte er Geschwindigkeiten wie nur wenige Stürme vor ihm. Wenn er am Mittwochabend (Ortszeit) auf die ersten Häuser auf dem US-amerikanischen Festland trifft, droht er einer der schlimmsten und zerstörerischsten Hurrikane zu werden, die dort jemals gewütet haben. Möglicherweise noch schlimmer und noch zerstörerischer als Helene mit 225 Toten.
Es ist ein beunruhigendes Zeichen, dass Joe Biden seine Reise nach Deutschland und Angola vorerst abgesagt hat. Die Entscheidung des Präsidenten dürfte allerdings nicht ausschließlich darin begründet sein, dass Teilen seines Landes, die gerade erst Opfer einer Naturkatastrophe geworden sind, eine weitere bevorsteht. Sondern auch darin, dass diese Katastrophen das Potenzial haben, die Präsidentschaftswahl im November zu beeinflussen. Womöglich gar, sie zu entscheiden.
Zahlreiche Lügen von Donald Trump
Die Rettungsarbeiten nach dem Hurrikan Helene waren gerade erst angelaufen, da hatte Donald Trump schon eine Möglichkeit gefunden, die Lage für sich zu nutzen. Er verbreitete zahlreiche Lügen: Biden sei nicht ans Telefon gegangen, als ihn der Gouverneur von Georgia um Hilfe gebeten habe. Die Biden-Regierung sowie der demokratische Gouverneur von North Carolina täten alles, um Betroffenen in vor allem von Republikanern bewohnten Gegenden nicht zu helfen. Die Notfallhilfen für die Hurrikanopfer habe die Biden-Harris-Regierung „gestohlen“, um sie stattdessen illegalen Einwanderern zukommen zu lassen.
Selbst Republikaner wie ebenjener Gouverneur von Georgia widersprachen öffentlich. Brian Kemp sagte, es sei sogar umgekehrt gewesen: Er selbst habe einen Anruf des Präsidenten verpasst, diesen aber sofort zurückrufen können. Einige andere Republikaner dagegen, wie die rechtsextreme Abgeordnete Marjorie Taylor Greene, tun es Trump gleich: „sie können das Wetter kontrollieren“, postete sie auf X. Und dann sind da noch die Verschwörungstheorien diverser Accounts aus demselben rechtsextremen Spektrum, die unter anderem behaupten, die Biden-Regierung wolle im Schatten der Stürme heimlich Land von dessen Bewohnern beschlagnahmen.
Desinformation, Angst und Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen sind ohnehin ein Problem in diesem Wahljahr, das nicht nur von extremer politischer Polarisierung geprägt ist, sondern auch von mehreren Kriegen begleitet wird und gleich zwei versuchten Attentaten. Jetzt droht dieses Problem noch viel größer zu werden. So groß, dass Biden seine große Abschiedsreise, sein außenpolitisches Vermächtnis hinten anstellt: den Staatsbesuch in Deutschland mit dem Krisengipfel zur Ukraine, der Biden so wichtig war. Rund 20 Staats- und Regierungschefs sollten dazu anreisen.