ER nennt IHN nur noch den noch-amtierenden Bundeskanzler. Die Ampel ist für FDP-Chef und frisch gebackenen Ex-Finanzminister Christian Lindner (45) an dem Tag nach dem Ampel-Crash nur noch die „Regierung Scholz“ oder die „Scholz-Regierung“.
Lindner steht an diesem Mittwochmittag im Bundestag vor dem Mikrofon und erklärt noch einmal, war diese Regierung fertig hat, warum ihn Olaf Scholz (66, SPD) gefeuert hat gestern Abend. Ruhig, hör- und sichtbar angefasst – und doch bestimmt. Lindner präsentiert sich als Gegenentwurf zum Pöbel- und Nachtrete-Kanzler aus der Nacht. Scholz hatte geholzt, nachgetreten und alle Schuld von sich geschoben und bei Lindner abgeladen.
Lindner sagt dazu nur: „Ich habe mich entschieden, an dieser Form der Auseinandersetzung nicht zu beteiligen. Zur staatspolitischen Verantwortung gehört auch Stil, damit die Demokratie keinen Schaden nimmt.“
Scholz ist in seinen Worten durchgängig nur noch eine Auslauf-Erscheinung. Ein politisches Nur-NOCH.
Nicht alltäglich für Lindner: Er räumt Fehler ein. „Manche werden mir auch vorwerfen, die FDP hätte zu lange an der Regierung Scholz festgehalten. Dafür muss ich Verantwortung übernehmen, wir hatten stets gehofft, dass am Ende doch Fortschritt möglich wird.“ Für den Vorwurf, er habe zu lange an der unbeliebten Ampel-Regierung festgehalten, „übernehme ich Verantwortung“.
Immer wieder muss er stoppen, die Stimme bricht. Er wendet den Blick nach links oben. Er ist müde, hat die Nacht mit Akten und Cola verbracht. Er ist durch. Mit Scholz. Mit der Ampel. Und auch mit einem Weggefährten: Verkehrsminister Volker Wissing (54, Ex-FDP) ist zu Rot-Grün übergelaufen, bleibt Minister. Fühlt er sich verraten, will ein BILD-Reporter wissen. Antwort: Er wünsche dem Verkehrsminister „menschlich alles Gute“. Mehr nicht. Kein Hass-Wort, kein Scholz-Anfall.
Seine Gefühlslage?
▶︎ „Mich hat das menschlich betroffen gemacht, ich habe gelitten, dass ich oft nicht sagen konnte, ‚Wir werden jetzt handeln, wir werden das Notwendige tun‘.“
▶︎ „Es hat mich an den Rand dessen gebracht, was ich politisch verantworten kann. Zu sehen auch, wie unbefriedigt die Bürger sind, wenn man ihnen die x-te Durchhalteparole gibt (…) mich hat das menschlich aufgerieben.“
Die Ampel habe sich „nie gesucht“, aber man habe keine andere Wahl zur Regierungsbildung gehabt. Gehalten habe das Konstrukt aus Rot-Grün und Gelb nur wegen Geld: „Es war genug da.“ Probleme und Differenzen, die unterschiedlichen Weltanschauungen und Politikansätze seien in der „Regierung Scholz“ oft mit Geld zugeschüttet wurden.
Er kontert ruhig die Abend-Erzählung des Kanzlers, in der er, Christian Lindner, der Ampel-Killer war. Er berichtet, wie der Kanzler ihn habe zwingen wollen für 15 Milliarden Euro an neuen Schulden das Grundgesetz zu brechen: „Mit einem so fahrlässigen Umgang mit dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland hätte ich meinen Amtseid verletzt. Das wusste der noch amtierende Bundeskanzler. Das dennoch ultimativ von mir zu verlangen, war der vorsätzliche Bruch der Koalition. Deshalb ist es gut, dass das Land nun eine neue Wahl hat.“
Er habe dem Kanzler ein Riesen-Programm für Ukraine vorgeschlagen – mit Taurus-Raketen. Der Kanzler, der sich nun als Retter Kiews gefällt, habe nicht gewollt. Scholz habe die
Die FDP habe in Sachen Ukraine „nie gezaudert“ habe. Er habe gestern gegenüber Scholz gefordert, Deutschland müsse vielmehr helfen. Er, so Lindner, sei bereit gewesen, ein großes Paket für Kiew zu schnüren – und er habe vorgeschlagen, der Ukraine „alles zu liefern“, was sie braucht“. Er sei bereit gewesen, für die Ukraine-Gelder bei seiner Partei zu kämpfen, sogar sein Amt als Parteichef damit zu verknüpfen, seine Vertrauensfrage zu stellen.
Scholz habe dies abgelehnt.
Lindner: „In Wahrheit ging es nur um eins: Um den Vorwand zur Unterstützung der Ukraine.“ Scholz habe lieber weitere Milliarden-Schulden machen wollen als notwendige Entscheidungen für die Ukraine treffen zu müssen, sagte Lindner. Von den 15 Milliarden, die der Kanzler an neuen Schulden von ihm wollte, seien nur drei Milliarden für die Ukraine gewesen.“
Lindner kritisiert Scholz dafür, dass dieser erst im Januar die Vertrauensfrage stellen und Neuwahlen ermöglichen will. Dessen Kanzleramt dürfe nicht zur Wahlkampf-Zentrale werden. Dies sei staatspolitisch unverantwortlich. Lindner fordert von Scholz, die Vertrauensfrage im Bundestag sofort zu stellen.
Wörtlich: „Das Bundeskanzleramt darf keine Wahlkampf-Zentrale werden. Unser Land braucht eine Regierung, die nicht nur amtieren, sondern agieren kann. Das Richtige für unser Land wäre die sofortige Vertrauensfrage und Neuwahlen.“
Lindner, der Ex-Ampel-Minister nennt Scholz nicht beim Namen, aber sagt in dessen Richtung:
„Niemand darf Angst vor dem Wähler haben …“