Sie hat einen der härtesten Polit-Jobs, die gerade zu vergeben sind. Seit zwei Wochen ist Franziska Brantner neue Grünen-Chefin.
Ihre Mission: die Partei aus dem Umfragetief in eine neue Regierung zu führen. Zwar haben die Grünen mit Robert Habeck (55) einen Kanzlerkandidaten, sind aber mit aktuell 13 Prozent meilenweit vom Kanzleramt entfernt. Gerade regieren die Grünen noch mit der SPD von Kanzler Olaf Scholz (66) in der Reste-Ampel, doch so mancher schielt schon auf ein Bündnis mit Friedrich Merz (69, CDU) und der Union nach der Neuwahl am 23. Februar.
BILD: Was können Sie mit Herrn Merz besser als mit Herrn Scholz?
Franziska Brantner: „Frieden, Freiheit in Europa und klar an der Seite der Ukrainer stehen.“
Mit Schwarz-Grün könnte die Ukraine besser unterstützt werden?
Brantner: „Es ist sehr beunruhigend, wie sich die Lage vor Ort in der Ukraine entwickelt. Es ist schmerzhaft zu sehen, wie nicht nur die Energieinfrastruktur zerstört wird, wie Kinder dort frieren, Krankenhäuser zerstört werden durch die Bombenangriffe Putins. Eine der großen Fragen für uns in Deutschland ist: Wie sichern wir unseren Frieden in Europa? Wie stellen wir sicher, dass Grenzen nicht verschoben werden können und wir gemeinsam mehr in unsere Sicherheit investieren müssen, auch in diplomatischen Beziehungen? Und da war ich überrascht, dass jetzt Kanzler Scholz bei dem Treffen der nordischen und baltischen Staatschefs nicht war. Macron (französischer Präsident, d. Red.) war dort. Wir haben hier eine Verantwortung in Europa.“
Das heißt, Olaf Scholz gefährdet die Ukraine mit seinem Kurs jetzt?
Brantner: „Olaf Scholz ist jemand, der als Kanzler in diesen schwierigen Zeiten natürlich auch an der Seite der Ukraine stand. Aber es gibt ja eine Debatte innerhalb der SPD über den richtigen Kurs. Das ist eindeutig offensichtlich, wenn Sie sich anschauen, wo einzelne Landeschefs sich hinbewegen. Deswegen ist es eine offene Frage, wo am Ende die SPD dabei steht.“
Und da sehen Sie die CDU geschlossener?
Brantner: „Ach, auch bei der CDU gibt es Absetzbewegungen von einem Kurs, der klar die liberalen Demokratien stärkt. Das sehe ich auch mit Sorge.“
Die Grünen stellen mit Habeck seit drei Jahren den Wirtschaftsminister. Aber gerade bricht die Wirtschaft ein. Besonders die Automobilkonzerne von VW bis Ford haben massive Probleme.
Die Autobranche verkündet jetzt fast im Wochenrhythmus den Abbau von Tausenden von Arbeitsplätzen. Wollen die Grünen überhaupt die deutschen Autobauer retten?
Brantner: „Ja. Eindeutig. Die Autoindustrie ist eine Schlüsselindustrie in Deutschland. Da entstehen Innovationen, da entstehen gute Arbeitsplätze. Deswegen geht es uns darum, sie an diesem Standort in Deutschland zu halten. Dafür brauchen wir bessere Rahmenbedingungen. Die Energiepreise runter, dauerhaft, bessere Ladeinfrastruktur. Das bedeutet aber nicht, dass wir uns vom Ziel eines klimaneutralen Autos verabschieden. Wir wollen ein klimaneutrales Auto.“
Wann saßen Sie das letzte Mal hinterm Steuer?
Brantner: „Das ist schon eine Weile her. Ich bin meistens mit meinem Fahrrad unterwegs, und in Heidelberg habe ich Stadtmobil, also Carsharing. Dort habe ich fast immer ein E-Auto, das ich dann fahre. Aber manchmal ist auch kein E-Auto frei, dann fahre ich auch normales Auto.“
Fahren Sie gerne Auto?
Brantner: „Ich fahre gerne Auto.“
Schnell?
Brantner: „Ich halte mich immer an die Regeln.“
Klar ist: Der nächste Kanzler wird ein Mann. Weil Union, SPD und Grüne jeweils mit einem Kerl ins Rennen gehen. Schmerzt Sie das als Frau?
Brantner: „Ich bin dafür, dass gute Leute an der Spitze stehen. Und das können sowohl Frauen sein als auch Männer. Mir geht es darum, die Situation von Frauen insgesamt in Deutschland zu verbessern. Und da hatten wir diese Woche gerade den Tag, der immer wieder darauf hinweist, wie groß die Gewalt gegen Frauen in Deutschland ist. Dass jeden zweiten Tag eine Frau ermordet wird durch ihren Partner oder Expartner, das ist etwas, was mich nicht in Ruhe lässt. Wir müssen hier bessere Schutzmöglichkeiten überall in Deutschland ermöglichen. Und wir haben jetzt seit Mittwoch ein Gesetz, was im Kabinett verabschiedet wurde, was genau diese Hilfe ermöglicht, Frauenhäuser durchfinanzieren würde.“
Warum schaffen Sie es erst, dieses Gesetz auf den Weg zu bringen, wenn Sie keine parlamentarische Mehrheit mehr haben?
Brantner: „Einerseits wurde dieses Gesetz sehr intensiv auch mit den Bundesländern beraten. Der zweite Teil der Wahrheit ist, dass Christian Lindner hier für den Schutz von Frauen nicht die Notwendigkeit sah, auch Bundesmittel zur Verfügung zu stellen. Aber jetzt gibt es die Chance zu helfen, Menschenleben zu retten. Und ich hoffe wirklich sehr, dass Herr Merz diese Chance auch annimmt, hier in die Verantwortung geht und diese Hilfe bringt, die für Frauen nötig ist.“
Bislang hat sich die Union eher sehr zurückhaltend geäußert, ob sie wirklich bei diesem Gesetz mitmacht.
Brantner: „Wir haben jetzt hier die Möglichkeit, Frauen zu helfen. Und zwar konkret Leben zu schützen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir in einem Land leben, wo Menschen wollen, dass man hilft. Und ich hoffe, dass Herr Merz auch dieses Bild von Deutschland hat.“