Hannover – Dieser Fall löste in Politik und Justiz gleichermaßen einen Schock aus. Zum ersten Mal soll es der internationalen Rauschgiftmafia gelungen sein, im Herzen eines deutschen Behördenapparats einen gegen sie ermittelnden Staatsanwalt als Informant zu rekrutieren. Am Mittwochmorgen begann der Prozess gegen den mutmaßlich bestochenen Ankläger.

Arbeitete der Chefermittler für die Kokain-Mafia?

Justizwachtmeister bringen Yashar G. (39) in Handschellen in den Schwurgerichtssaal des Landgerichts Hannover. Vor seiner Verhaftung im Oktober 2024 war der vom Dienst suspendierte Staatsanwalt im Dezernat 6031 in der Zentralstelle für Betäubungsmittelstrafsachen tätig.

Jahrelang hat der als äußerst zuverlässig geltende Deutsch-Iraner als Chefermittler das Verfahren gegen das bisher größte Kokain-Syndikat der Republik angetrieben – und laut Anklage gleichzeitig für die Drogen-Bande gearbeitet.

Konspirativer Austausch über Boten

Die Vorwürfe gegen ihn: Bestechlichkeit im Amt, Verrat von Dienstgeheimnissen, Strafvereitelung, insgesamt 14 Taten. Als mutmaßlicher Maulwurf soll er vom Syndikat in den entschlüsselten Gauner-Messengerdiensten „EncroChat“ und „SkyECC“ unter den Tarnnamen „Cop“ und „SA“ geführt worden sein.

Hochkonspirativ tauschten laut Anklage der Staatsanwalt und die Spitze der Rauschgiftorganisation Nachrichten und Bestechungsgelder über Boten aus.

Staatsanwalt erhielt angeblich Schmiergeld

Der Spitzeldienst sollte sich für Yashar G. auszahlen: Monatlich erhielt er angeblich ein fixes Schmiergeld in Höhe von 5000 Euro plus Bonuszahlungen für besonders wertvolle Hinweise, insgesamt rund 65.000 Euro.

Zwischen Juni 2020 und März 2021 soll er die Bande u. a. über Observationen, V-Leute, Razzien und bevorstehende Verhaftungen gewarnt haben. So gelang es führenden Köpfen wie dem mutmaßlichen Drogen-Boss Konstantinos S. (42) die rechtzeitige Flucht ins Ausland.

Im Frühjahr 2021 war der Polizei bewusst, dass es ein Behörden-Leck gibt. Ausgewertete Gangster-Chats und Informanten brachten die Rauschgiftermittler schließlich auf die Spur des Staatsanwalts. Nachdem sie das Indizien-Puzzle zusammengesetzt hatten, wurde Yashar G. verhaftet. Nur ein Motiv für seine angebliche Geldgier konnten sie nicht finden.

Verteidiger attackieren Anklage

Der angeklagte Staatsanwalt bestreitet aber nach wie vor, für die Kokain-Mafia gearbeitet zu haben. Timo Rahn, einer der drei Verteidiger des 39-Jährigen, sprach in seinem Eröffnungsstatement von „medialem und politischem Druck“, der auf dem Verfahren laste. An G. solle ein „Exempel statuiert“ werden – zu Unrecht, wie er darlegen will.

Am 12. Mai will Yashar G. im Prozess eine Stellungnahme abgeben.