Ein Flüchtling legt den Finger in die Wunde.

Er selbst kam vor neun Jahren von Syrien nach Deutschland. Hier machte der junge Mann eine Ausbildung zum Verwaltungsfachwirt, ging in die Lokalpolitik. Im vergangenen Jahr wurde Ryyan Alshebl (30, Grüne) zum Bürgermeister von Ostelsheim (Baden-Württemberg) gewählt. Auch in der kleinen Schwarzwald-Gemeinde (2500 Einwohner) bekommt er täglich mit, was in Deutschland bei Asyl- und Sozialpolitik schiefläuft.

Das Hauptproblem: Der Anreiz, einer Arbeit nachzugehen und sich als Flüchtling zu integrieren, sei viel zu gering. Gegenüber BILD spricht sich der Kommunalpolitiker deshalb für eine klare, zeitliche Begrenzung aus – und eine Wende in der Flüchtlingspolitik.

„Sozialleistungen auf drei Jahre begrenzen“

Alshebl zu BILD: „Soziale Leistungen sollten – für alle, die arbeitsfähig sind – auf maximal drei Jahre begrenzt werden. Das gilt insbesondere für das Bürgergeld, unabhängig von der Staatsbürgerschaft. Danach muss das Existenzminimum auf andere Weise sichergestellt werden.“

Dabei denkt der Syrer auch an seine eigenen Anfänge in Deutschland. „Ich selbst habe nach meiner Flucht auch ungefähr ein Jahr Hartz IV bezogen. Das war eine tolle Hilfe, um in Deutschland Fuß zu fassen. Man braucht etwas Zeit dafür, ganz klar. Aber dann kann man auch erwarten, dass die, die arbeitsfähig sind, auch arbeiten. Das nenne ich einen fairen Deal.“

Dabei müssten Behörden auch Druck ausüben, meint der Bürgermeister zu BILD. „Nach dieser Zeit sollten Bürgergeldempfänger in die Pflicht genommen werden – zum Beispiel in der Erziehungsarbeit oder auf dem städtischen Bauhof. Da gibt es immer etwas zu tun.“

„Leute, die arbeiten wollen, werden bestraft“

Dass diese Meinung auch in seiner eigenen Partei, den Grünen, anecken dürfte, stört Alshebl nicht. „Der Staat muss für ein Existenzminimum sorgen. Das reicht dann aber auch. Staatliche Leistungen für die Ewigkeit ohne Gegenleistung kann es nicht geben.“

Bisher sei es in Deutschland leider so: „Leute, die arbeiten wollen, werden bestraft. Leute, die nicht arbeiten wollen, werden belohnt.“

Ein Beispiel aus seinem Berufsalltag als Kommunalpolitiker, das ihn besonders aufregt: „Ich kenne einen syrischen Familienvater. Er hat fünf Kinder, arbeitet im Baumarkt. Arbeiten ist für ihn selbstverständlich. Aber jetzt denkt er ernsthaft darüber nach, seinen Job aufzugeben. Als Bürgergeldempfänger würde er 300 Euro mehr bekommen. Ganz ehrlich – ich kann ihn verstehen.“

„Wir brauchen ein Einwanderungsgesetz“

Auch zum Thema Migration hat Ryyan Alshebl eine klare Meinung. „Wir dürfen in der Asylpolitik den Bogen nicht überspannen und zu viele ins Land lassen. Sonst kommen wirklich die Rechtsextremen an die Macht. Und dann wird niemand mehr ins Land gelassen, auch nicht die, die wir brauchen.“ Sein Vorschlag: „Ein echtes Einwanderungsgesetz, das dafür sorgt, dass die Richtigen kommen können.“

Alshebl hatte sich mit seinen Bürgermeisterkollegen Boris Palmer (Freiburg, Ex-Grüner) und Richard Arnold (Schwäbisch Gmünd, CDU) nach dem Anschlag von Solingen in der „Zeit“ für eine schärfere Asylpolitik ausgesprochen. So müssten Abschiebungen effektiver und konsequenter organisiert werden: „Einmal klingeln reicht nicht.“

Und: Abschiebehaft müsse immer dann möglich sein, wenn eine Ausreise anders nicht gelingt. Wenn Linienflüge nicht genutzt werden können, sollte die Bundeswehr einspringen. Das Fazit der Bürgermeister: Viele Anschläge durch Flüchtlinge hätten so verhindert werden können.