Am Sonntag kommen die Grünen zum ersten Mal nach der Bundestagswahl zusammen, wollen ihr maues 11,6 Prozent Ergebnis besprechen – und die Oppositionsarbeit aufnehmen.

Zum „kleinen“ Parteitag in Berlin werden rund 100 Delegierte erwartet. Ob das der Startschuss wird für eine echte Aufarbeitung der Fehler, die in den vergangenen Jahren gemacht wurden? Bleibt abzuwarten.

Fest steht: Ohne das Spitzen-Duo Annalena Baerbock (44) und Robert Habeck – sie nimmt bald im Präsidium der UN-Generalversammlung Platz, er wohl in einer der hinteren Reihen im Bundestag – entsteht ein massives Macht-Vakuum in der Umweltpartei.

Derzeit haben die Fraktionschefinnen Katharina Dröge (40) und Britta Haßelmann (63) den meisten Einfluss. Die Parteispitze aus Franziska Brantner (45) und Felix Banaszak (35) kommt zwar auch vor, gibt aber nicht den Ton an.

Harte Kritik an Habeck

Auffällig ist: Im Leitantrag des Bundesvorstands zum Parteitag („Klar. Grün. Konstruktiv: Auf dem Weg in eine starke Opposition“) hagelt es Kritik an Habeck und seinen Wahlkampffehlern – allerdings, ohne dass sein Name genannt wird.

► Kritik am Heizgesetz: „Besonders unsere klimapolitischen Vorhaben“ haben „viele verunsichert“, schreiben die Grünen – und meinen damit vor allem den Wirtschafts- und Umweltschutzminister Habeck und dessen umstrittene Reform des Gebäudeenergiegesetzes.

Die Menschen „gingen davon aus, sie (die klimapolitischen Vorhaben, d. Red.) würden über Gebühr in ihr Alltagsleben oder Wirtschaften eingreifen“. Es sei nicht gelungen, „diesen Ängsten angemessen zu begegnen“. Und: Man habe „nicht immer rechtzeitig“ für „die soziale und wirtschaftliche Absicherung sorgen“ können – die Umsetzung sei „zu sehr ins Kleinklein“ gegangen.

Zur Erinnerung: Das Gebäudeenergiegesetz war eines der umstrittensten Vorhaben der Ampel. Robert Habeck hat bereits mehrfach Fehler eingeräumt.

► Kritik an der „Sicherheitsoffensive“ und der Idee für Sozialabgaben auf Kapitalerträge: Man habe „entscheidende Debatten nicht (…) gewinnen können“, schreibt der Bundesvorstand – „etwa zur Zukunft der sozialen Sicherungssysteme oder zur Migrationspolitik“.

Gemeint: Die tagelange Diskussion, nachdem Habeck Sozialabgaben auf Kapitalerträge vorgeschlagen hatte – ohne zu sagen, ab welcher Höhe des Ersparten sie gelten sollen.

Eine „Sicherheitsoffensive“, für die Habeck zehn bereits bekannte Punkte zur Migrations- und Sicherheitspolitik gebündelt hatte, war vom linken Flügel seiner Partei zerpflückt und später mehrfach überarbeitet worden. Entsprechend wird im Leitantrag eine „kommunikative und strategische Unklarheit“ kritisiert.

Bitteres Fazit: Bei manchen Themen habe man „auseinanderlaufende Positionen, die wir bisweilen mit Formelkompromissen verbunden haben“. Heißt übersetzt: Große Fragen sind offen. Ob die Probleme jetzt angegangen werden? Unklar.