Grenzkontrollen könnten laut Studie zu schweren Importverlusten führen

Die neuen Grenzkontrollen zur Eindämmung der illegalen Einwanderung können einer Studie zufolge die ohnehin in einer Flaute steckende deutsche Wirtschaft weiter schwächen. Die zusätzlichen Wartezeiten dürfte die Transport- und Warenkosten für Importe um rund 1,7 Prozent erhöhen, heißt es in der am Freitag veröffentlichen Untersuchung des Kreditversicherers Allianz Trade.

Das dürfte „sowohl das Handelsvolumen insgesamt als auch die Wettbewerbsfähigkeit verringern, die bei deutschen Herstellern aktuell bereits auf einem niedrigen Niveau liegt“, sagte Allianz-Ökonomin Jasmin Gröschl.

Den Berechnungen zufolge könnte der Handel bis zu 1,1 Milliarden Euro pro Jahr verlieren – rund zwei Drittel aller Importe erreichen Deutschland über seine Landgrenzen. „Die temporären Grenzkontrollen ziehen eine Kettenreaktion nach sich“, fügte Gröschl hinzu. Mit Wegfall dieser Importe könnten teilweise weniger Endprodukte hergestellt werden. Alternativ müssten die Unternehmen mehr und teure Lagerhaltung betreiben, weil die Just-in-Time-Produktion der Industrie eingeschränkt werde. „In der Folge könnten sich Rezessionsrisiken weiter verstärken“, sagte Ökonomin Gröschl. Es könnten Einbußen beim Bruttoinlandsprodukt von bis zu 11,5 Milliarden Euro drohen.

Unter normalen Umständen dauert ein typischer Grenzübertritt innerhalb des Schengen-Raums der Studie zufolge durchschnittlich 3,34 Minuten. „Allerdings können selbst vorübergehende Grenzkontrollen den Verkehr erheblich verlangsamen, da es zu Verzögerungen durch Kontrollen oder Staus aufgrund eines verringerten Verkehrsflusses und einer ineffizienten Infrastruktur kommen kann“, hieß es dazu.

Die Situation dürfte dabei vergleichbar mit Kontrollen an den Schengen-Außengrenzen sein: Dort deuteten Daten darauf hin, dass ein Grenzübertritt mit stichprobenartigen Kontrollen auf einer Transitroute die Reisezeit um 20 Minuten verlängern könne. Angesichts der Rolle Deutschlands als wichtiges Transitland in Europa könnten diese Entwicklungen „zu erheblichen Verzögerungen und höheren Kosten für Unternehmen führen, die im internationalen Handel innerhalb Europas tätig sind“. Die Zunahme der Wartezeiten, insbesondere an stark frequentierten Grenzübergängen wie den zu den Niederlanden, an der täglich etwa 1000 Lkw verkehren, könnte die rechtzeitige Lieferung von Waren erheblich beeinträchtigen.

Im Bereich der Lebensmittelbranche prognostizieren die Analysten einen Anstieg von 2,6 Prozent (Importverlust: 62 Millionen Euro) bei den Handelskosten. Handelsdienstleistungen könnten sich um 2,4 Prozent und die Transportdienstleistungen (55 Millionen Euro) mit 1,8 Prozent verteuern, was 51 Millionen Euro entspräche. Beim Maschinenbau sowie in der Chemie- und Pharmaindustrie liege der Kostenanstieg bei 1,2 und 2,3 Prozent. Dies entspräche einem erheblichen Rückgang der Importe um 147 Millionen respektive 142,1 Millionen Euro.

Zu den potentiell am stärksten betroffenen Sektoren zählen demnach der Bildungs- und Freizeitsektor – etwa durch weniger Tagesausflüge oder Wochenendtrips. Die „Einschränkungen und zusätzlichen Kosten für den Personenverkehr“ könnten sich „negativ auf den Tourismus in Deutschland sowie auf die Mobilität von Grenzpendlern auswirken“, teilte die Allianz Trade weiter mit.

Um irreguläre Migration zurückzudrängen, hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser vorübergehende Binnengrenzkontrollen an allen deutschen Landgrenzen angeordnet. Diese wurden am 16. September eingeführt und sollen zunächst für sechs Monate gelten.