Gib den Namen am Eingang ab

So gute Laune macht nur anonymer Sex! „Ich will nicht wissen, aus welcher Stadt du kommst und welches Sternzeichen du hast“, singt FKA twigs am Beginn ihres Konzerts in einer Mehrzweckhalle am Berliner Ostbahnhof: „Du bist ein Fremder, du bist für mich perfekt.“ Weil Männer sowieso lügen, sobald sie den Mund aufmachen, will sie gar nicht mehr wissen, mit wem sie die Nacht verbringt. singt sie, und ihr Publikum singt das tausendfach mit wie aus einer Kehle. Ein wunderbares Bild des Friedens und Glücks. Junge Paare beteuern einander zärtlich umschlungen: Ich weiß nicht, wer du bist, und es ist mir egal.

Vor etwas mehr als zehn Jahren betrat FKA twigs die Bühne des Pop als Protagonistin einer neuen Innerlichkeit. Zu zart tropfenden Rhythmen hauchte sie sehnsuchtsvolle Texte in höchsten Tonlagen, und meist verhielt es sich dabei so, dass die Sehnsucht enttäuscht wurde. heißt nun ihr neues Album, und es handelt von der Überwindung des Enttäuscht-werden-Könnens: Es handelt von dem Zustand, den wir erreichen, wenn wir uns gerade so viel Sehnsucht erlauben, dass sie gestillt werden kann. so hat es die Künstlerin auf TikTok erläutert, „das ist flüchtige Transzendenz, wie man sie erlebt, wenn man ein Kunstwerk betrachtet oder sich auf einem Dancefloor in den Rausch tanzt oder beim Sex.“ Und ja: FKA twigs hat tatsächlich auf TikTok von flüchtiger Transzendenz geredet.

Transzendenz bedeutet ja zunächst und zuletzt, sich vom Irdischen zu lösen. Im Konzert trennt FKA twigs sich vor allem von dem, was sie bislang am besten konnte: singen. Über weite Strecken performt sie zu Playback, was ihr mehr Raum lässt für Bewegung, Akrobatik. Und mehr Zeit, um mit all den knackigen, knapp bekleideten Kerlen zu kuscheln, die um sie herumwimmeln wie ein Wurf Welpen. Manchmal versteifen die Männer auch ihren Körper, dann wirken sie wie Störche, die durch ein Feuchtgebiet staksen. In dem Stück windet FKA twigs sich schließlich kompetent um eine Pole-Dance-Stange herum, und während sie ein paar Meter über dem Boden mit gespreizten Beinen kopfüber hängt, befiehlt ihre Stimme aus dem Off: „Nenne nicht meinen Namen, wenn ich mich dir unterwerfe.“

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