Tiflis (Georgien) – Es sind brenzlige Tage in Georgien: Nach der gefälschten Parlamentswahl im Oktober eskalieren seit vergangenen Donnerstag die Demonstrationen in der Hauptstadt Tiflis.
Regierungschef Irakli Kobachidse (46) von der Russland-treuen Partei „Georgischer Traum“ hatte am 28. November angekündigt, dass Georgien bis 2028 keine EU-Beitrittsgespräche mehr führen werde – eine Realität, in der die meist jungen, prowestlichen Demonstranten nicht leben wollen.
Dutzende Menschen bei Demos in Tiflis verletzt
Die Regierung reagiert mit extremer Gewalt. Polizei und Sicherheitskräfte setzen Wasserwerfer, Pfefferspray und brutale Schläge gegen friedliche Demonstranten ein. Dabei wurden Dutzende Menschen verletzt, und mehr als 20 Journalisten wurden gezielt angegriffen und verletzt.
Reporterin Nino Lopes ist in Georgien geboren und besucht ihre Heimat regelmäßig. Sie ist für BILD jetzt wieder in ihre Heimat gereist, um vor Ort von den Geschehnissen zu berichten.
„Georgien hat so viel dafür gekämpft, ein unabhängiges und demokratisches Land zu werden. Von den frühen 1990er Jahren bis heute ist viel Blut für die Freiheit vergossen worden. Auch die EU-Beitrittskandidatur wurde vom georgischen Volk hart erkämpft“, erzählt Nino.
Demos schon vor 35 Jahren in Tiflis
Sie erlebte selbst wie 1992 und 2008 die Sirenen heulten, als russische Truppen in Georgien einmarschierten. Nino: „Freunde von mir starben, meine Familie und ich litten Hunger. Seither weiß ich, dass ein frisches Brot aus Mehl ein Luxus sein kann.“
Jetzt steht Nino mit BILD-Reporter Peter Hell an dem Platz, wo schon 1989 friedliche Demonstranten gegen die Sowjetmacht und für die Freiheit demonstrierten. Damals wurden die Proteste von Sondereinheiten der Sowjetarmee brutal niedergeschlagen. 21 Demonstranten kamen ums Leben, darunter 17 Frauen – eine von ihnen war schwanger. Die jüngste der Getöteten war erst 16 Jahre alt.
„35 Jahre später stehe ich an demselben Ort, an dem damals demonstriert wurde. Auch heute protestieren wir hier“, sagt Nino mit ruhiger Stimme. „Ich erlebe ein Déjà-vu. Die Geschichte wiederholt sich. Wofür haben unsere Vorfahren so sehr für die Freiheit gekämpft? Um wieder ein Teil Russlands zu werden?“
Diesmal werden auch Frauen, Minderjährige und Journalisten gezielt geschlagen. Doch diesmal sind es nicht die Sondereinheiten der Sowjetarmee, sondern die Schlägertruppen, die der Oligarch Bidsina Iwanischwili gekauft hat.
Nino: „Er wird seine Macht mit allen Mitteln verteidigen und nicht abtreten. Er ist bereit, den Befehlen Putins zu folgen. Wenn man die Bilder der Demonstrationen ansieht und die tägliche Eskalation der Polizeigewalt gegen das eigene Volk beobachtet, erkennt man auch die russische Handschrift.“
Die russlandtreue Regierung hat ihrem eigenen Volk den Krieg erklärt. „Ich sorge mich um meine Heimat! Georgien darf nicht an Russland verloren gehen!“, fordert Nino.