Endspurt im dramatischsten US-Wahljahr seit Jahrzehnten. In 16 Tagen entscheiden die Amerikaner: Löst Vizepräsidentin Kamala Harris (60) ihren Chef Joe Biden (81) im Oval Office ab. Oder schafft Donald Trump (78) eine zweite Amtszeit?
Das Duell zerreißt die Supermacht, die Welt fiebert mit. Macht die Demokratin nach der Euphorie des Sommers auf der Zielgeraden noch schlapp? Oder vergeigt ihr Republikaner-Rivale die Wahl mit zu düsterer Rhetorik?
Knapper geht es kaum in Umfragen
Meinungsforscher liefern Daten zum Thriller: Laut dem Portal „RealClearPolitics“ liegt Harris im Schnitt nationaler Umfragen bei 49,4 Prozent. Trump: 47,8 Prozent. In den sieben „Kampf-Bundesstaaten“ (Arizona, Nevada, Wisconsin, Michigan, Pennsylvania, North Carolina und Georgia), wo letztendlich die Wahl entschieden wird, führt Trump. Aber: mit 0,1 bis 1,4 Prozentpunkten denkbar knapp (Stand Freitag).
Harris, die im Juli den Wahlkampf von Biden übernahm, wollte zunächst mit „Freude“ und Versprechen des „Wandels“ einen „neuen Weg vorwärts“ einschlagen. Die Demokraten jubelten, erlöst von der Misere des greisen Biden. Das war aber eher ein Strohfeuer. Jetzt nimmt die Ex-Staatsanwältin wie in einem Schlussplädoyer Trump brutal ins Visier: Der sei „instabil“, „unzurechnungsfähig“, ein Möchtegern-Diktator. Zuletzt brüllte sie ihre Attacken ins Publikum. Stammwähler reißt das mit. Aber ihre Popularität sank zuletzt auf 43 Prozent Zustimmung (NBC).
► Trumps Taktik: Er verteufelt Harris als Komplizin einer Katastrophen-Präsidentschaft. Und bezeichnet sie als inkompetent. Von seiner früheren Amtszeit schwärmt er hingegen: „Sicher und wohlhabend“ sei das Land gewesen. Und in der Welt respektiert. „Great“ eben. Er verspricht eine Fortsetzung.
Auf welche Themen setzen Harris und Trump im Endspurt?
Harris hat beim Reizthema „Abtreibung“ klare Vorteile, nachdem das höchste US-Gericht „Supreme Court“ (mit drei „Trump-Richtern“) 2022 den Bundesschutz gekippt hat. Seither haben 13 Bundesstaaten Abtreibungen verboten. Auch will Harris die Mittelklasse stärken, den Klimaschutz vorantreiben und Millionäre und Großbetriebe höher besteuern.
Trump punktet bei der Wirtschaft: Mehr US-Wähler trauen ihm nach den schmerzhaften Teuerungswellen zu, Preissenkungen durchsetzen zu können. Und beim Grenzschutz konsequent zu sein. Nachdem rund zehn Millionen illegaler Grenzübertritte in den Biden-Harris-Jahren protokolliert wurden, sieht Trump eine Mehrheit der US-Amerikaner bei diesem Reizthema hinter sich. Doch die generelle Dämonisierung von Migranten („Mörder“, „Irre“, „Vergewaltiger“, „Terroristen“) sorgt für Kritik.
Was sind die Stärken und Probleme der Kandidaten?
► Zu Beginn ihres Wahlkampfs war die Optik Harris’ Stärke: Sie wirkte frisch, optimistischer, jünger (Harris wird am 20. Oktober 60). Doch in einem über-choreografierten Wahlkampf fehlt es häufiger an Substanz. Ihr Haupt-Dilemma: Sie verspricht eine neue Ära, doch konnte bisher nicht erklären, was genau sie anders als ihr Noch-Boss machen wolle. Auf „Fox News“ sagte sie zuletzt nur, dass ihre Präsidentschaft „keine Fortsetzung“ der Biden-Amtszeit werden würde.
Trump hat den Frust breiter Bevölkerungssegmente auf seiner Seite: über die Inflation, den Migranten-Ansturm, Verbrechenswellen, oft auch die Woke-Politik der Liberalen. Aber häufig fehlt es ihm am Fokus, an der Disziplin: Er schwadroniert, polemisiert, lügt, übertreibt, schimpft. Der Ton ist meist düster. Und durch Bidens Abgang wurde er über Nacht zum ältesten White-House-Kandidaten.
Eklatant ist jedenfalls die Geschlechterkluft: Laut NBC führt Trump bei Männern (+16 %), Harris bei Frauen (+14 %). Trump wollte in einem Interview nichts davon wissen: „Das ist Unsinn, Frauen lieben mich …“