Der Kanzler musste Briefwahl machen. Olaf Scholz (66, SPD) ist am Sonntag, wenn die Brandenburger wählen und auch darüber entscheiden, wie ruckelig sein Leben wird, sehr weit weg. 6369 Kilometer entfernt in New York kümmert sich Scholz bei den Vereinten Nationen um die Krisen und Kriege der Welt. Und wird in Gedanken doch stetig zu Hause sein.

In Potsdam (dort wohnt Scholz mit Ehefrau Britta) kämpft Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (62, SPD) um die Wiederwahl und das Nervenkostüm der gesamten SPD. Wenn Woidke verliert, dann wird sich der Frust in der Partei Bahn brechen: über die zerstrittene Ampel im Bund, die miesen Umfragewerte im Bund (14 Prozent) und den Kanzler mit viel zu wenig Klartext. Für Scholz wird es dann richtig ungemütlich.

Und so hat Scholz bei der Briefwahl natürlich Woidke seine Stimme gegeben. Auch wenn der Ministerpräsident die Landtagswahl mit zwei gewagten Manövern gewinnen will:

▶︎ Woidke sucht den größtmöglichen Abstand zum Kanzler und seiner Ampel. Gemeinsame Auftritte mit Scholz lehnt der Brandenburger ab, dafür kritisiert er, wo immer er kann, die Bundesregierung.

▶︎ Und er setzt auf volles Risiko. Woidke will nur Ministerpräsident bleiben, wenn die SPD stärkste Kraft bei der Wahl wird. Liegt die AfD vorn, ist er weg. In Umfragen zufolge ist es ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

Nach der Rückkehr aus New York wird’s ungemütlich

Wie wichtig der Wahlausgang für Scholz ist, zeigt: Der Kanzler schaltet sich von New York aus am späten Sonntagnachmittag in die Schalte des SPD-Präsidiums. Dort berät die Parteiführung, wie sie mit den möglichen Ergebnissen umgehen will. Wenn dann die Auszählung der Stimmen läuft, sitzt Scholz mit Inselstaaten zusammen. Aber mit einem Auge wird er die Hochrechnungen auf dem Handy verfolgen.

Nach seiner Rückkehr aus New York am Dienstag geht es für den Kanzler gleich zur Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion. Hat Woidke verloren, erwarten ihn dort harte Wortmeldungen seiner Abgeordneten. Der innerparteiliche Druck auf Scholz, endlich neue Antworten zu liefern, wie er das SPD-Tief drehen will, wird massiv steigen. Gewinnt Woidke mit seiner Risikostrategie, wird es zwar nicht ganz so ruppig, aber die SPD wird auch dann mehr klare Kante vom Kanzler erwarten.

Für die Ampel wird es damit eher unruhig. Zumal es den anderen Koalitionspartnern noch schlechter geht:

▶︎ Den Grünen (regieren gerade noch in Brandenburg) droht der Rauswurf aus dem Parlament. Für Vize-Kanzler Robert Habeck (55, Grüne) nicht schön, denn der Zeitpunkt, dass er nun öffentlich seine Kanzlerkandidatur erklärt, ist damit erst mal denkbar schlecht.

▶︎ Die FDP wird nach allen Umfragen klar am Wiedereinzug ins Parlament scheitern. Für Finanzminister und Parteichef Christian Lindner (45) bedeutet das eine weitere FDP-Wahlschlappe in Folge. Eigentlich ist die eingepreist, doch kann sie zu noch mehr Rebellion in der Partei gegen die ungeliebte Ampel führen.

▶︎ Der CDU droht am Sonntag eine heftige Schlappe, sie kämpft mit dem BSW von Sahra Wagenknecht (55) um Platz drei und vier. Doch selbst wenn die Wagenknecht-Truppe die CDU überholt, hat das für den frisch ausgerufenen Unions-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz (68, CDU) keine großen Auswirkungen.

Einmal schütteln und dem Brandenburger Spitzenkandidaten Jan Redmann (44), der im Wahlkampf betrunken E-Roller fuhr, die Schuld geben. Merz hat ja in Vorausahnung der Brandenburg-Pleite die Kandidaten-Entscheidung für sich extra vorgezogen.