Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat in der Generaldebatte angekündigt, schnell zu einer Entscheidung in der Rentenreform kommen zu wollen. „Die bestmögliche Entscheidung zu treffen in dieser Sache, die werden wir nicht übers Knie brechen“, sagte der Bundeskanzler. Man werde aber einen fairen Ausgleich zwischen den Generationen so möglich machen, „dass ein möglichst großer Teil unserer Gesellschaft generationenübergreifend dem zustimmen kann, was unsere Koalition, diese Regierung miteinander beschließt“. Noch in diesem Jahr soll die Rentenkommission ihre Arbeit aufnehmen und einen konkreten Arbeitsauftrag bekommen.
Er stimmte die Menschen in Deutschland auf weitere tiefgreifende soziale und wirtschaftliche Reformen ein. „Wir werden das Reformtempo hochhalten und da, wo notwendig, noch einmal mehr fordern“, sagte Merz. „Historische Zeiten sind Zeiten der Bewährung – nicht nur für eine gewählte Regierung, sondern für eine Gesellschaft im Ganzen, zumal für eine demokratische Gesellschaft.“
Merz hob zuvor die Erfolge seiner Regierung hervor. Schwarz-Rot habe bei seinem Amtsantritt eine schrumpfende Wirtschaft und ein „schwerfälliges, in vielerlei Hinsicht blockiertes Land“ übernommen. Man habe mit einem ersten Wachstumsimpuls reagiert, mit einem Programm, das insbesondere die Unternehmenssteuern in Deutschland verbessere, sagte Merz. Auch die Energiepreise habe seine Regierung in den Blick genommen. Der Anfang der nötigen Reformen sei gemacht. Auch wenn die Regierung hohes Tempo an den Tag lege, seien die Reformerwartungen doch höher. Aber: „Die Bundesrepublik Deutschland (…) ist ein hochkomplexes Land. Und hochkomplexe Sachverhalte erfordern komplexe Antworten und nicht unterkomplexe Redensarten“, sagte Merz an die Adresse der AfD.
Merz fordert Mitsprache Europas bei Friedensregelung für Ukraine
Auch zum Thema Ukraine äußerte er sich und forderte im Ringen um eine Lösung im Ukraine-Krieg eine Mitbestimmung der Europäer. „Über europäische Angelegenheiten kann nur im Einvernehmen mit Europa entschieden werden“, sagte er. „Europa ist kein Spielball, sondern souveräner Akteur für seine eigenen Interessen und Werte.“ Deshalb werde Deutschland die Ukraine weiterhin finanziell unterstützen.
Der Kanzler begrüße das fortgesetzte Engagement der USA bei der Lösung des Konflikts: Das habe er auch Präsident Donald Trump so gesagt, fuhr Merz fort. Jedoch handle es sich um einen „schicksalhaften Moment für die Ukraine, auch für Europa und für unsere Allianz“. Daher werde ein „zwischen Großmächten verhandeltes Abkommen ohne die Zustimmung der Ukraine und ohne die Zustimmung der Europäer“ keine Grundlage für einen echten, tragfähigen Frieden in der Ukraine sein.
Es handle sich dabei um die vielleicht „wichtigste Leitlinie unserer Politik“, nämlich die Bewahrung von Frieden in Freiheit in Europa. „Wir wollen keinen Frieden durch Kapitulation, sondern wir wollen ein friedliches Zusammenleben der Völker in Europa auf der Grundlage unserer demokratischen freiheitlichen Werte“, sagte Merz. Außerdem gebe es in dem Konflikt „nur einen Aggressor“, nämlich Russland.
Weidel vergleicht Koalition mit Titanic
Zuvor hatte AfD-Chefin Alice Weidel zum Auftakt der Generaldebatte Merz ein vollständiges Scheitern vorgeworfen. Traditionell eröffnet die stärkste Oppositionsfraktion die Debatte, derzeit ist das die AfD. Der Entwurf für den Bundeshaushalt 2026 sei „nicht verfassungskonform“, sagte Weidel. Die schwarz-rote Koalition habe ihr „Endstadium“ erreicht und biete nur noch „Narrentheater“.
Kritik übte Weidel vor allem an den von der Koalition neben dem regulären Bundeshaushalt eingerichteten Sondervermögen. „Mit dem Finanzstaatsstreich – euphemistisch Sondervermögen genannt – haben Sie Deutschland den größten Schuldenberg in der Nachkriegsgeschichte aufgebürdet“, sagte die AfD-Chefin an den Kanzler gewandt. „Weil Sie weiter mit dem Geld, das ihnen nicht gehört, um sich werfen, als gäbe es kein Morgen, steckt Deutschland auch in einer handfesten Finanzstaatsschuldenkrise.“
Weidel forderte die Union auf, die Brandmauer zur AfD einzureißen und gemeinsam Politik zu machen. „Die bürgerlichen Kräfte der Vernunft“ müssten sich „zusammenfinden und den Willen des Wählers erfüllen, der mehrheitlich eine bürgerliche Mitte Rechtspolitik gewählt hat und keine progressive linke grüne Politik“, sagte die AfD-Politikerin.
Die AfD-Chefin bekräftigte Positionen ihrer Partei mit Forderungen nach einem Ende der Energiewende, einem Wiedereinstieg in die Kernkraft, Erdgas- und Erdölkäufen in Russland, stärkere Migrationsregeln und Streichungen bei den Staatsausgaben.
„Was vertreten Sie wirklich für Interessen als AfD-Fraktion?“
Der SPD-Politiker Dirk Wiese warf der AfD daraufhin vor, nicht deutsche, sondern russische Interessen Deutschlands zu vertreten. Es gebe Menschen in der AfD, „die versuchen, Löcher in das Schiff Deutschland reinzuhauen, weil sie nicht deutsche Interessen vertreten, sondern russische Interessen vertreten“. Die AfD habe 7.000 sicherheitsrelevante Anfragen gestellt – etwa zu Militärtransporten und kritischer Infrastruktur. „Was vertreten Sie wirklich für Interessen als AfD-Fraktion?“, fragte Wiese mit Blick auf Reisen nach Russland mehrerer AfD-Politiker.
Anlass ist die Debatte über den Einzeletat des Kanzleramtes, die traditionell zur generellen Aussprache aller Parteien über die Regierungspolitik genutzt wird. Insgesamt sind für die Generaldebatte vier Stunden eingeplant. Am Nachmittag stehen die Einzeletats des Auswärtigen Amtes, des Verteidigungsministeriums und des Entwicklungsministeriums zur Debatte. Das Sitzungsende ist gegen 18.15 Uhr geplant. Die Schlussabstimmung über den Bundeshaushalt für das Jahr 2026 steht dann am Freitag an.
