Und wenn dies die bittere, die trostlose Wahrheit wäre: Dass in Zeiten, in denen die Großmächte wieder ungehemmt das Recht des Stärkeren für sich in Anspruch nehmen, skrupelloses Machtgebaren am schnellsten zum Frieden führt?
Die Frage muss man sich vorlegen, so unangenehm sie ist. Donald Trump betreibt Diplomatie mit der Planierraupe. Und da niemand sich so einfach plattmachen und wegräumen lassen will, scheint er sich mit seiner Brachialpolitik durchzusetzen. Das war im Gazastreifen so, das könnte in der Ukraine so sein.
Auch wenn man sich die Frage am liebsten nicht stellen möchte, es ist die politische Herausforderung, vor der Europa steht. Bundesaußenminister Johann Wadephul nennt die Methode Trump „unorthodox, aber effektiv“. Das trifft die Sache ziemlich genau.
Selenskyj bedankt sich bei Trump
Als am vergangenen Donnerstag die ersten Nachrichten vom amerikanischen 28-Punkte-Plan für die Ukraine an die Öffentlichkeit drangen, der nichts anderes war als eine vorformulierte Kapitulationserklärung, schien nur ein Wort zu passen: Verrat.
Verrat an einem Partner, der sich seit bald vier Jahren eines übermächtigen Angreifers erwehren muss. Der seine Freiheit ohne die Solidarität der Demokratien des Westens nicht verteidigen kann. Und der nun vom mächtigsten Land dieses Westens dem Angreifer zum Fraß hingeworfen wird.
So skandalös war dieser Verrat, dass sich auch führende Politiker in Trumps eigener Partei gegen den Präsidenten stellten. „Die Ukraine sollte nicht gezwungen werden, ihre Gebiete an einen der eklatantesten Kriegsverbrecher der Welt, Wladimir Putin, abzutreten“, sagte Senator Thom Tillis, Republikaner aus North Dakota.
Auch andere Senatoren empörten sich: Das ist nicht unser Friedensplan! Angus King, als Parteiloser Mitglied in der Fraktion der Demokraten, sprach von einer „Wunschliste der Russen“. So habe auch US-Außenminister Marco Rubio in einem Telefonat den Plan genannt. Rubio dementierte. Die 28 Punkte, sagte er, basierten zwar auf „Anregungen der russischen Seite, aber auch auf früheren und aktuellen Beiträgen der Ukraine“.
Rubio, der ein Realpolitiker alter Schule ist, kein ideologisch Verirrter wie Vizepräsident JD Vance, stürzte sich in Genf über das Wochenende in Verhandlungen mit Vertretern der Ukraine – und am Ende stand ein „aktualisierter und verfeinerter Friedensplan“, wie Amerikaner und Ukrainer gemeinsam erklärten. In Kyjiw bedankte sich Präsident Selenskyj ausdrücklich „für alles, was Amerika und Präsident Trump“ für die Sicherheit seines Landes tun würden. Was blieb ihm auch anderes übrig, hatte er doch nach eigenem Bekunden nur die Wahl zwischen der Würde der Ukraine und deren wichtigstem Partner, eben den Vereinigten Staaten.
In den neuen, bisher nur in Umrissen bekannten Plan, sind auch die Vorschläge der Europäer eingeflossen. Er verspricht der Ukraine nun umfassende Sicherheitsgarantien. Ihre Streitkräfte sollen auf 800.000, nicht auf 600.000 Soldaten, begrenzt werden. Eine Mitgliedschaft des Landes in der Nato wird nicht mehr ausgeschlossen; festgestellt wird lediglich, dass es im Bündnis keinen Konsens über einen Beitritt der Ukraine gibt. Das Land soll keine Gebiete an Russland abtreten müssen, die von den Truppen Putins nicht erobert wurden. Zum Wiederaufbau sollen Reparationsdarlehen aus eingefrorenen russischen Vermögenswerten gewährt werden.
