Schon wieder Migrations-Talk bei Lanz – aber mit spannenden Gästen und viel Expertise.

▶︎ FAZ-Redakteur Justus Bender (44) sprach darüber, warum so viele SPD-Wähler zur AfD abwandern.

Staat ist bei Bußgeldern gnadenlos, bei Abschiebungen nicht

Er berichtete von einem „massiven Gerechtigkeitsproblem“: „Ich war neulich in der Abteilung 8 vom Regierungspräsidium Karlsruhe, und die sind zuständig für alle Abschiebungen in Baden-Württemberg und für die Strafzettel auf der Autobahn. Wenn man geblitzt wird mit 20 km/h zu viel und man hat 40 Euro Schulden bei der Bußgeldstelle, dann verfolgen sie einen bis ans Ende der Welt. Man hat keine Chance.“

Ganz anders bei Ausreisepflichtigen, die abgeschoben werden sollen: „Es gibt so viele Schupflöcher! Wenn einer am Ende abgeschoben wird, dann muss er an irgendeiner Stelle des Systems einen Fehler gemacht haben.“

▶︎ Migrationsforscher Gerald Knaus (55) hatte Merkel beraten, als sie den Asyl-Deal mit der Türkei aushandelte.

Seine Analyse ist mit vielen Zahlen und Fakten unterlegt: „Seit zehn Jahren haben wir die Probleme erkannt und sind dennoch nicht weitergekommen. Die meisten Abschiebungen erfolgen in andere EU-Länder und sind fast immer sinnlos.“

Beispiel: Deutschland habe 52.000 Dublin-Überstellungen in andere EU-Länder geleistet, aber gleichzeitig habe es 56.000 Dublin-Überstellungen nach Deutschland gegeben. Und dennoch würden Politiker immer noch so tun, als müsse man nur bei Dublin härter werden.

Ein einziger Effekt erklärt den jüngsten Asyl-Rückgang

Knaus erklärt außerdem, was die Ampel-Politiker verschwiegen hätten, wenn sie lobten, dass die irreguläre Migration zuletzt zurückgegangen sei.

„Im Januar-Februar letzten Jahren gab es etwa 50.000 Asylanträge. Im Januar-Februar dieses Jahres 30.000. OK, super – aber wenn wir genau hinschauen, sind es drei Nationalitäten, die den gesamten Rückgang erklären: Syrer, Afghanen und Türken.

Knaus weiter: „Was ist passiert? Das BamF hat für Syrer nach dem Sturz von Assad erklärt, dass es zunächst keine Entscheidungen trifft. Weder Ablehnungen noch positive Entscheidungen.“ Lanz ergänzt, worauf Knaus hinaus will: Darum würden Tausende Menschen, die schon im Land sind, (noch) nicht in der Statistik auftauchen …

Fassungslosigkeit bei Knaus, als er von der Drittstaatenlösung spricht. „20 EU-Länder wollen das auch, und ich höre, dass die SPD immer noch dagegen ist!“ Er warnt: Wenn SPD und Union keine Lösung in der Migration präsentieren, dann bekommt die AfD noch mehr Auftrieb.

SPD-Mann spielt Migration herunter

▶︎ Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (59, SPD) verweist darauf, dass Briten und Italiener die Drittstaatenlösung wollten, aber von Gerichten gestoppt wurden.

Immer wieder sagt er, dass es „kein Patentrezept“ gegen die AfD gäbe, und dass es nicht stimme, dass man nur die einen härteren Migrationskurs fahren müsse, um sie kleinzukriegen.

Sein Bundesland fahre keinen harten Migrationskurs und habe trotzdem einen relativ geringen AfD-Anteil an den Wählern (15,1 Prozent bei der Bundestagswahl). Und: Die SPD habe die Bundestagswahl verloren, weil sie zugelassen habe, dass ihr das Thema Migration „aufgezwungen“ wurde, statt dass sie mehr über Soziales wie den Mindestlohn gesprochen habe.

Ex-AfD-Chefin platzt irgendwann der Kragen

▶︎ Bei AfD-Mitbegründerin und Ex-Chefin Frauke Petry (2017 ausgetreten) provoziert das mehrere Ansprachen: „Die Wähler sind sehr klar bei den Themen, bei denen sie eklatante Probleme sehen“, sagt sie. Migration stünde in allen Umfragen neben Wirtschaft an erster oder zweiter Stelle. „Die Leute wissen, warum sie unzufrieden sind.“

An anderer Stelle hält sie eine längere Standpauke: „Nehmen wir den ganz normalen Wähler und Bürger. Der glaubt Ihnen kein Wort mehr, das Politikervertrauen ist im Keller! Wer nach Deutschland kommt, verlässt das Land nicht mehr!“

Und weiter: „Da kann doch die Konsequenz daraus nur sein, dass diejenigen, die Schutz suchen, Schutz beantragen können sollen, aber ohne die Grenze nach Deutschland zu überschreiten. Da steht Ihre Partei auf der Bremse, wir sind der Bremsklotz in ganz Europa. Und das liegt nicht daran, dass alles so kompliziert ist, wie Sie den Bürgern wahr machen wollen, sondern daran, dass die Politik es nicht will! Und wenn der Staat es nicht will, dann muss er es zugeben. Das wäre die erste Tat für einen Politiker, der glaubwürdig sein will, zu sagen: ‚Wir kriegen es nicht hin.’ Denn kann jemand anders versuchen, es zu lösen.“