Frauenanteil in Aufsichtsräten leicht gesunken – schwacher Aufwärtstrend in Vorständen

Von der Dynamik früherer Jahre ist nicht mehr viel übrig. Beim Thema Gleichstellung haben Deutschlands Konzerne in den vergangenen Monaten die Handbremse gezogen. Zum ersten Mal seit zehn Jahren ist der Frauenanteil in den Aufsichtsräten der Börsenunternehmen leicht gesunken. Der Einzug von Frauen in die Vorstände hat sich zudem deutlich verlangsamt.

Das ist das Ergebnis des aktuellen Women-On-Board-Index (WoB-Index) der Initiative Fidar. Sie untersucht regelmäßig die Entwicklung der Gleichstellung in den Führungsetagen von derzeit 179 im Dax, MDax, und SDax sowie der im regulierten Markt notierten, paritätisch mitbestimmten Unternehmen.

Der Frauenanteil in den Aufsichtsräten sank demnach im vergangenen Jahr von 37,3 auf 37 Prozent. Zwar liegt der Anteil von Frauen in Vorstandsetagen mit 19,9 Prozent etwas höher als im Vorjahr (19,3 Prozent), doch schwächte sich der Aufwärtstrend ab. Vom Ziel einer gleichberechtigten Teilhabe sind die meisten Unternehmen noch immer weit entfernt.

Bundesfrauenministerin Karin Prien (CDU) mahnt angesichts der neuen Zahlen zu Entschlossenheit: „Es ist entscheidend, dass Unternehmen jetzt nicht nachlassen, sondern weiterhin gezielt weibliche Talente fördern.“ Die gesetzlichen Rahmenbedingungen hätten gewirkt – jetzt dürfe der gesetzlich angestoßene Wandel nicht steckenbleiben.

Ein Rückblick auf zehn Jahre Geschlechterquote für Aufsichtsräte macht den Effekt deutlich: In den Unternehmen, die unter die feste Quote für Aufsichtsräte fallen, ist der Anteil von Frauen in den Kontrollgremien auf 38,6 Prozent gestiegen – ein Plus von über 17 Prozentpunkten seit 2015. Und auch auf die Vorstände färbte die Entwicklung ab. Bei 22,9 Prozent liegt der Frauenanteil im Vorstand dieser Unternehmen inzwischen, nach lediglich fünf Prozent im Jahr 2015. Zum Vergleich: Bei den nicht der Quote unterliegenden Unternehmen stieg der Anteil im Vorstand weniger stark auf heute 14,7 Prozent.

70 Unternehmen ohne einzige Frau im Vorstand

Zuletzt ist allerdings die Zahl frauenfreier Vorstände wieder gestiegen: 70 Unternehmen haben derzeit kein weibliches Vorstandsmitglied – fünf mehr als im Vorjahr. Darunter finden sich weiterhin 23 Unternehmen, die eine Zielgröße von null Frauen angeben – also nicht planen, weibliche Führungskräfte zu berufen. Die meisten davon (18) fallen nicht unter die gesetzliche Aufsichtsratsquote. Besonders auffällig: Der MDAX-Konzern Südzucker, der eigentlich unter das gesetzlich vorgeschriebene Mindestbeteiligungsgebot fällt, hat ebenfalls keine Frau im Vorstand.

Für Fidar-Gründungspräsidentin Monika Schulz-Strelow ist das ein unhaltbarer Zustand: „Mit null Frauen zu planen, ist inakzeptabel. Ohne spürbaren Druck wird die Zielgrößenverpflichtung nicht ernst genommen.“ Zwar sei die Zahl der Unternehmen mit Zielgröße Null seit der Einführung einer Begründungspflicht zurückgegangen – von 46 auf 23 – doch die freiwillige Selbstverpflichtung zeige insgesamt zu wenig Wirkung.

Fidar-Präsidentin Anja Seng fordert daher eine Ausweitung der bestehenden Regeln: „Die Geschlechterquote im Aufsichtsrat sollte auf 40 Prozent erhöht und auf alle börsennotierten Unternehmen oder solche mit mehr als 500 Beschäftigten ausgeweitet werden.“ Auch das Mindestbeteiligungsgebot für Vorstände müsse zu einer festen Quote weiterentwickelt werden. Ihr Appell ist deutlich: „Als Gesellschaft können wir es uns nicht leisten, dass die deutsche Wirtschaft bei der gleichberechtigten Teilhabe zurückfällt.“

Was Quoten bewirken – und wo sie versagen

Die Pflicht zur Mindestbeteiligung von Frauen im Vorstand hat bisher noch keine scharfen Zähne. Sie gilt seit dem Sommer 2022 lediglich für Neubesetzungen in Unternehmen mit mehr als drei Vorstandsmitgliedern, die sowohl börsennotiert als auch paritätisch mitbestimmt sind. Das betrifft aktuell nur 60 der 179 untersuchten Unternehmen. Alle anderen Unternehmen müssen sich zwar selbst Zielgrößen, für den Vorstand und die beiden obersten Führungsebenen darunter, setzen. Diese Zielgröße kann allerdings auch bei Null liegen. Für Aufsichtsräte in börsennotierten und paritätischen mitbestimmten Unternehmen dagegen gilt per Gesetz seit 2016 eine Geschlechterquote von mindestens 30 Prozent.

Sogar eine Parität in ihren Aufsichtsräten konnten, Stand Mai 2025, vier Dax-Konzerne vorweisen: Beiersdorf, Zalando, Bayer und Fresenius Medical Care. Im Vorjahr allerdings waren es noch acht Konzerne gewesen. Mit SAP, Adidas und Porsche SE liegen nun gleich drei Dax-40-Unternehmen unterhalb der 30-Prozent-Marke. Das Schlusslicht im Premium-Börsen-Segment bildet Porsche, mit nur zwei Frauen im zehnköpfigen Aufsichtsrat. Bei der Mercedes-Benz Group dagegen stieg der Frauenanteil im Aufsichtsrat auf 45 Prozent, unter anderem durch die Berufung von Barbara Resch und Pia Simon.

Es sind noch unter zehn Prozent, aber immerhin: Die Zahl der Unternehmen mit einer weiblichen Aufsichtsratsvorsitzenden stieg in diesem Jahr auf einen neuen Rekordwert. 16 der 179 von Fidar untersuchten Unternehmen haben eine Frau an der Spitze des Kontrollgremiums. Neu hinzu gekommen ist in diesem Jahr unter anderen Katrin Suder als Aufsichtsratschefin der Deutschen Post und Clara-Christina Streit bei der Deutschen Börse. Und mit Silke Seidel hat seit November vergangenen Jahres auch ein börsennotierter Fußballverein eine Aufsichtsratschefin: der Borussia Dortmund.

Inga Michler ist Wirtschaftsreporterin bei WELT und moderiert Wirtschaftskongresse. Die promovierte Volkswirtin berichtet über ökonomische Transformation, künstliche Intelligenz, Nachhaltigkeit, Familienunternehmen und Leadership.