Sylt – Die Sicherheitsbehörden sind alarmiert. Droht in der Nordsee der Super-GAU?
Der unter maltesischer Flagge fahrende Frachter „Ruby“ (183 Meter), der Ende August von der nordrussischen Halbinsel Kola auslief, wurde ein paar Tage später bei einem Sturm vor der norwegischen Küste am Ruder beschädigt. Seitdem ist er nur bedingt manövrierfähig.
Die Gefahr: Der Frachter ist mit rund 20 000 Tonnen hochexplosivem Ammoniumnitrat (Hauptbestandteil von Düngemittel) beladen. Und: Er ist etwa 150 Seemeilen von Sylt entfernt – eine Strecke, die mit einer Geschwindigkeit von 15 Knoten in nur zehn Stunden zurückgelegt werden könnte.
Hochexplosiv wie eine Atombombe
Laut dem englischen Sprengstoffexperten Roland Alford ist durch die Ladung eine ähnliche Sprengkraft gegeben wie einst bei den Atombomben, die die USA im Zweiten Weltkrieg in Hiroshima und Nagasaki eingesetzt hatten, berichtet das US-Nachrichtenmagazin „Newsweek“.
Seit mehreren Tagen dümpelt der Frachter südwestlich der Stadt Kristiansand in der Nordsee umher, hat sich laut Schifffahrts-Trackingdienst „marinetraffic.com“ kaum bewegt.
Frachter wird genau beobachtet
Das dänische Schifffahrtsamt hatte der „Ruby“ die Durchfahrt durch dänische Gewässer nur mit einem Lotsen an Bord erlaubt. Aktuell gebe es aber keine Anfrage der „Ruby“ für einen Lotsen, meldete das staatliche dänische Unternehmen „DanPilot“ dem dänischen Sender „DR“.
„Die Bundespolizei beobachtet das Frachtschiff weiterhin und steht mit den benachbarten Behörden und internationalen Partnern im Austausch“, teilte die Bundespolizeidirektion Bad Bramstedt auf Anfrage mit.
Keiner will das Schiff haben – zurück nach Malta?
Wegen der hochexplosiven Ladung wurde der beschädigte Frachter nach mehreren Tagen im nordnorwegischen Tromsø des Hafens verwiesen. Als Zielort für eine umfassende Reparatur wurde das litauische Klaipėda (vormals Memel) angegeben.
Aber dafür hätte das havarierte Schiff durch den Großen Belt in der Ostsee zwischen Dänemark und Deutschland fahren müssen. Doch die Behörden des baltischen EU-Staates haben die Einfahrt verweigert – wie auch die schwedischen Häfen Göteborg und Uddevalla.
Jetzt heißt es jüngsten Meldungen zufolge, dass das Schiff sich wieder in Bewegung hat setzen können und auf dem Weg zurück nach Malta sei, wo es registriert ist. Eine offizielle Bestätigung steht noch aus.
Explosion im Hafen von Beirut
Ammoniumnitrat gilt als Auslöser der Katastrophe im Hafen der libanesischen Hauptstadt Beirut im August 2020. Dort wurden über Jahre große Mengen der Chemikalie unsachgemäß im Hafen gelagert.
Mehr als 200 Menschen wurden bei der Explosion getötet, Tausende verletzt.
Schiff als Provokation von Russland?
Experten warnen seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine vor einer „Schattenflotte“ aus häufig veralteten und schlecht gewarteten Schiffen unter der Flagge von Drittstaaten, die russische Güter durch die Ostsee und Nordsee transportieren.
Jacob Kaarsbo vom dänischen Think-Tank Europa sagte dem „DR“, die „Ruby“ verhalte sich „verdächtig“. Er schließe nicht aus, dass das Schiff Teil eines hybriden Kriegs sei, mit dem Russland die Reaktion der nordeuropäischen Staaten testen wolle, sagte Kaarsbo.