Wird der Thüringer Spitzenkandidat der AfD Opfer des eigenen Erfolgs?

In allen Umfragen zur Landtagswahl (1. September) ist die Partei stärkste Kraft. Rechtsaußen Björn Höcke (52) steht auf Platz 1 der AfD-Landesliste. Doch das ist keine Garantie für einen Platz im Landtag!

Grund: Diese Hackordnung spielt keine Rolle, wenn die AfD mit ihren Direktkandidaten (Erststimmen) mehr Wahlkreise gewinnt, als ihr nach dem Zweitstimmen-Ergebnis zustehen.

Und zwar: 44 der 88 Sitze im Landtag sind für die 44 Wahlkreis-Gewinner (Erststimme) reserviert. Sollten die aktuellen Umfragen (AfD bei 30 Prozent) richtig liegen, bekommt die AfD 29 Sitze. Gewinnen mindestens genauso viele AfD-Direktkandidaten ihren Wahlkreis, weil ihre Wähler aus Überzeugung beide Kreuze bei der AfD machen, wäre kein Platz mehr für die Partei-Häuptlinge von der Landesliste.

Dann fliegt Höcke aus dem Landtag, wenn er seinen eigenen Wahlkreis nicht gewinnt!

Politik-Wissenschaftler Oliver W. Lembcke (55) von der Uni Bochum (früher Uni Jena): „Dieses Szenario zu verhindern, wird für Höcke kein Selbstläufer. Seine Zustimmungswerte sind viel niedriger als die seiner Partei. Er hält die AfD als Lautstärker bekannt, ist aber in deren Wählerschaft kein unumstrittenes Zugpferd.“

Denkbar sei auch eine parteiübergreifende Anti-Höcke-Mobilisierung in seinem Wahlkreis, um ihn gemeinsam zu verhindern.

Bereits 2014 und 2019 verlor Höcke im Wahlkreis Eichsfeld I gegen die CDU. Im März suchte er sich vermeintlich leichtere Gegner und wechselte in den Wahlkreis Greiz II – 250 Kilometer entfernt von seinem Wohnort Bornhagen. Seine Partei sprach von „wahltaktischen Überlegungen“.

Problem für Höcke: Auch der neue Wahlkreis ist seit 34 Jahren in CDU-Hand und Heimat von Knallhart-Landrätin Martina Schweinsburg, die mit Deutschlands 1. Bezahlkarte für Flüchtlinge bundesweit für Schlagzeilen sorgte. Höckes Gegner ist Platzhirsch Christian Tischner (43), der die AfD bereits zweimal schlagen konnte. Der Ex-Gymnasiallehrer ist Vize-Chef und Bildungs-Experte der CDU-Landtagsfraktion.

Was wäre die Lösung? Höcke müsste Parteifreunden, die ihren Wahlkreis gewonnen haben, zum Verzicht auf ihr Landtagsmandat drängen, um seinen Listenplatz geltend machen zu können.

Für diese Angst vor den Erststimmen spricht, dass Höcke schon in zwei Wahlkreisen keinen AfD-Vertreter antreten lässt, obwohl es Kandidaten gegeben hätte. Laut Kreiswahlausschuss war deren Bewerbung ungültig, weil die Unterschriften vom Landesverband fehlten – laut Höcke angeblich „Formfehler“.

Zwar könnte Höcke auch ohne Landtagsmandat Ministerpräsident werden. Allerdings gilt das als ausgeschlossen, weil ihn keine andere Partei unterstützen will.