Das Klischee vom abgehängten Osten hält sich wacker. Dabei stimmt es schon lange nicht mehr, sagen Experten.
„Dass der Osten wirtschaftlich abgehängt ist, ist ein Klischee aus den 90er-Jahren“, mahnt Ökonom Joachim Ragnitz (63) vom ifo Institut für Wirtschaftsforschung. „Manche Ost-Bundesländer stehen super da, übertreffen bei der Wirtschaftsleistung sogar einzelne West-Bundesländer.“
▶︎ Beispiel: Brandenburgs Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Erwerbstätigen (84 869 Euro im Jahr 2023) übertrifft das des Saarlands (78 921 Euro), das von Schleswig-Holstein (80 850 Euro) und Rheinland-Pfalz (84 634 Euro).
Ragnitz: „Der pauschale Ost-West-Vergleich ist schon lange nicht mehr angemessen.“
Auch Reiner Braun vom Forschungsinstitut „empirica regio“ hält 34 Jahre nach der Wiedervereinigung nicht viel vom Gerede vom abgehängten Osten. „Was abgehängt wird, sind ländliche Regionen – allerdings im Osten wie im Westen!“, sagt Braun. Er fordert entsprechende Ausgleichsmaßnahmen fürs Land, wie die Pendlerpauschale oder Steuerrabatte.
Die wirtschaftlich schlechtesten zehn Regionen in Deutschland
(Quelle: ifo Institut)
Unter den Top Ten der wirtschaftlich stärksten Regionen findet sich auch eine aus dem Osten: der Landkreis Spree-Neiße.
Die wirtschaftlich besten zehn Regionen in Deutschland
(Quelle: ifo Institut)
Ifo-Experte Ragnitz sagt aber deutlich: Baden-Württemberg, Bayern und Hessen ziehen als starke Wirtschaftsstandorte den Schnitt der West-Länder deutlich hoch. „Davon spürt man aber im Saarland und in Schleswig-Holstein nichts. Es gibt in Deutschland inzwischen sogar ein stärkeres Nord-Süd-Gefälle, das den Ost-West-Unterschied spürbar übertrifft.“
Ragnitz: „Wenn sich Ostdeutsche als Bürger zweiter Klasse fühlen oder gar Wahlergebnisse etwa für AfD und BSW mit der regionalen Wirtschaftskraft erklärt werden, ist das anhand der Zahlen und Fakten nicht gedeckt.“