CDU/CSU und SPD versprechen im Koalitionsvertrag einen „anderen, konsequenteren Kurs in der Migrationspolitik“. Illegale Migration sowie Zuwanderung „in die Sozialsysteme“ soll reduziert werden, deutlich mehr Menschen abgeschoben werden.
Halten die konkreten Pläne diese Ankündigung? Und ist es die von CDU-Chef Friedrich Merz versprochene Migrationswende?
Die Asyl-Pläne im BILD-Check:
Zurückweisung aller Migranten
▶︎ Illegale Migranten und Asylbewerber sollen an allen deutschen Grenzen zurückgewiesen werden – „in Abstimmung mit europäischen Nachbarn“. Was das heißt, wurde von Union und SPD unterschiedlich bewertet. CDU/CSU wollen EU-Nachbarn nur informieren, nicht (wie die SPD) auf grünes Licht warten. Da die Union das Innenministerium bekommt, liegt die Auslegung dieser Formulierung nun bei ihr.
▶︎ Grenzkontrollen an allen deutschen Grenzen werden fortgesetzt, bis es einen „funktionierenden Außengrenzschutz“ gibt.
Asyl-Experte Prof. Daniel Thym (Uni Konstanz) zu BILD: „Das ist beinahe etwas revolutionär Neues. Und es ist ein klarer Richtungswechsel, der die Zahlen runterbringen wird. Deutschland sendet damit ein restriktives Signal in die Welt hinaus. Klar ist aber auch, dass Gerichte dies nicht dauerhaft akzeptieren werden. Daher ist das ein Instrument mit großer, aber vorübergehender Wirkung. Die Frage ist, ob es Instrumente gibt, um aus dem Richtungswechsel eine echte Wende zu machen und das System dauerhaft komplett neu aufzustellen.“
Turbo-Einbürgerung weg
▶︎ Die Turbo-Einbürgerung nach drei Jahren wird abgeschafft. Dies hatte die Ampel-Regierung eingeführt.
FAZIT: Das ist ein Teil-Sieg der Union, der aber vor allem Symbolkraft hat. Denn die Drei-Jahres-Regel kommt nur in seltenen Ausnahmefällen zum Einsatz. Einbürgerungen nach fünf Jahren bleiben weiterhin möglich. Die SPD hatte dies in der Ampel eingeführt und hält daran fest.
Asylverfahren in Drittstaaten
▶︎ Familiennachzug von subsidiär schutzberechtigten Migranten (bislang 12.000 pro Jahr) wird für zwei Jahre ausgesetzt.
▶︎ Auch freiwillige Bundesaufnahmeprogramme (z. B. Afghanistan) werden „so weit wie möglich“ beendet, keine neuen aufgelegt. Zuletzt ließ das Auswärtige Amt von Annalena Baerbock (44, Grüne) immer wieder Afghanen einfliegen.
▶︎ Das sogenannte Verbindungselement wird abgeschafft. Migranten müssen also keine Verbindung zu einem Drittstaat haben, in den sie gebracht werden.
Experte Thym über das Verbindungselement zu BILD: „Damit blockiert die neue Regierung auf europäischer Ebene nicht länger eine Verschärfung, die viele andere Mitgliedstaaten schon lange wollen. Das schafft die Grundlage dafür, dass man Menschen in ein drittes Land schicken darf, damit sie ihr Asylverfahren dort durchlaufen und nicht in Deutschland.“
Kein Bürgergeld für neu ankommende Ukrainer
▶︎ Ukrainer, die neu nach Deutschland kommen, kriegen kein Bürgergeld mehr, sondern nur noch Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.
▶︎ Die Forderung nach dem bundesweiten Einsatz der Bezahlkarte sowie der Bekämpfung ihrer „Umgehung“ findet sich nicht mehr im Koalitionsvertrag. Im Sondierungspapier stand sie noch.
FAZIT: Kleine Schritte. Zuletzt kamen im Vergleich zu 2022/23 nicht mehr viele Ukrainer nach Deutschland, sinnvoll ist die Maßnahme dennoch.
Ausreise-Arrest
▶︎ Verurteilte Straftäter sollen automatisch ausgewiesen werden („Regelausweisung“). Dies gilt vor allem bei schweren Gewalttaten, Vergewaltigungen, aber auch Volksverhetzung und judenfeindlichen Straftaten und Widerstand gegen Polizeibeamte.
▶︎ Ausreisepflichtige Gefährder oder Straftäter sollen auch nach der Haft in „dauerhaften Ausreise-Arrest“ kommen – bis sie freiwillig ausreisen oder abgeschoben werden.
▶︎ Straftäter und Gefährder werden auch nach Afghanistan und Syrien abgeschoben.
FAZIT: Dies sind von der Union geforderte Verschärfungen. Ihr Erfolg hängt von der Umsetzung ab.
Bund übernimmt EU-Abschiebungen
▶︎ Abschiebungen in EU-Länder soll der Bund übernehmen, „Bundesausreisezentren“ werden geprüft.
▶︎ Die Bundespolizei bekommt mehr Rechte, darf z. B. Ausreisehaft für ausreisepflichtige Ausländer beantragen.
▶︎ Ausländern, die abgeschoben werden sollen, muss kein Anwalt mehr zur Seite gestellt werden. Die freiwillige Rückkehr von Migranten soll gestärkt werden (z. B. durch finanzielle Anreize). Mehr Länder werden als sichere Herkunftsstaaten eingestuft.
Experte Thym über Abschiebungen durch den Bund: „Das führt zu deutlich weniger Behörden-Wirrwarr. Die Maßnahme kann helfen, den Sand im Getriebe des Vollzugs zu beseitigen. Es ist eine gute Idee, das aus einer Hand zu machen. Und im Erfolgsfall kann es auf weitere Abschiebe-Fälle skaliert werden.“
Abgelehnte Asylbewerber
▶︎ Ausreisepflichtige Asylbewerber, die nur geduldet sind, sollen unter bestimmten Bedingungen (z. B. Deutschkenntnisse, Job) ein befristetes Bleiberecht bekommen. Obwohl im Papier von „gut integrierten“ Ausländern die Rede ist, gilt dies auch für Menschen, die ausdrücklich noch nicht alle Kriterien für gute Integration erfüllen.
FAZIT: In diesem Punkt hat sich die SPD durchgesetzt. CDU/CSU wollte weniger, nicht mehr Bleiberechte.
Experte: „Damit kann ein Innenminister eine Trendwende bewirken“
ALSO: Ist das der Beginn einer echten Migrationswende, Herr Thym?
Der Experte zu BILD: „Damit kann ein Innenminister eine Trendwende bewirken und viele Defizite in der Asylpolitik beheben. Für die nächsten drei bis vier Jahre kann man eine Wende erreichen. Kommt eine nächste Migrationskrise auf Deutschland zu, reicht das jedoch nicht aus.“