Evonik-Chef Christian Kullmann will den Essener Chemiekonzern schlanker und schlagkräftiger machen und verordnet dem Unternehmen deshalb den größten Umbau seiner Geschichte. Rund 7000 Arbeitsplätze sind von der Neuaufstellung betroffen. In der neuen Struktur werde Evonik künftig auf zwei Säulen stehen, kündigte der Konzern am Freitag an.
Die beiden neuen Segmente Custom Solutions und Advanced Technologies kommen aktuell auf einen Jahresumsatz von jeweils rund sechs Milliarden Euro. Kullmann tritt zudem auf die Kostenbremse, rund 2000 Stellen fallen dadurch wie angekündigt weg. Geschäfte mit rund 3600 Beschäftigten an den Standorten Marl und Wesseling sollen zudem abgetrennt werden. Diese könnten etwa in Gemeinschaftsunternehmen eingebracht oder verkauft werden, sagte der Evonik-Chef.
Insgesamt und inklusive bereits laufender Verkaufsprogramme könnte Evonik damit rund 7000 der derzeit etwa 32.000 Stellen abgeben. Betriebsbedingte Kündigungen sind bei dem Essener Konzern in Deutschland bis 2032 ausgeschlossen.
Kullmann will Evonik auf zukunftsträchtige und margenstarke Geschäfte ausrichten, in denen der Konzern weltweit technologisch führend ist. Von Massengeschäften verabschieden sich die Essener, weitere Verkäufe stehen noch an. „Wir haben die Qualität unseres Portfolios in den vergangenen Jahren deutlich verbessert“, sagte Kullmann.
Der Umbau wirkt sich auch auf den Vorstand aus – und das Management. Die beiden neuen Business Lines übernehmen im Vorstand die Amerikanerin Lauren Kjeldsen und die Französin Claudine Mollenkopf. Der ehemalige BASF-Manager und Evonik-Vorstand Harald Schwager wird dagegen ebenso wie sein Kollege Johann-Caspar Gammelin ausscheiden.
Kullmann will zudem eine komplette Führungsebene im operativen Geschäft streichen. Rund 500 Stellen im Management sollen wegfallen, weitere 1000 Führungskräfte sollen bis Ende 2027 neue Aufgaben erhalten, kündigte der Manager an. Bisher steuerte Evonik das operative Chemiegeschäft in den Einheiten Specialty Additives, Nutrition & Care sowie Smart Materials. Dies wird nun anders.
In der neuen Struktur, die zum 1. April 2025 umgesetzt wird, steht der Konzern künftig auf zwei Säulen. Das Segment Custom Solutions stellt etwa Produkte für die Kosmetik- und Pharmaindustrie her. Der Bereich mit rund 7000 Mitarbeitern soll auch in Nischenmärkten aktiv sein und dort maßgeschneiderte Lösungen für Kunden entwickeln. Im Segment Advanced Technologies werden mit rund 8000 Mitarbeitern unter anderem Hochleistungskunststoffe und Wasserstoffperoxid sowie Ergänzungsmittel für die Tier-Nahrung produziert. Evonik sei in diesen Geschäften in der Regel führend, sagte Kullmann. Im Konzern sind zudem noch zahlreiche Mitarbeiter mit dem Betrieb von Anlagen sowie der Verfahrenstechnik beschäftigt.
Die Chemieindustrie in der Krise
Die Chemieindustrie in Deutschland befindet sich in der Krise, die Hoffnung auf eine Belebung in diesem Jahr hat die Branche aufgegeben. „Unsere Industrie befindet sich in einer schweren Rezession. Die Nachfrage nach chemischen Produkten sinkt weiter, auch das Pharmageschäft schwächelt“, hatte der Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie (VCI), Wolfgang Große Entrup, erst am Mittwoch gesagt. Zahlreiche Konzerne haben mit Sparprogrammen und einem Abbau von Stellen reagiert.
Dabei läuft es für Evonik trotz der schleppenden Chemiekonjunktur besser als für manchen Wettbewerber. So hat das Management für 2024 einen bereinigten Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) zwischen 1,9 und 2,2 Milliarden Euro in Aussicht gestellt – im Vorjahr waren es noch rund 1,6 Milliarden Euro. Kullmann gibt sich optimistisch: „2024 ist für Evonik ein gutes Jahr.“