Europa rüstet auf, und die USA kassieren

Pete Hegseth gilt als ein Mann, dem selbst republikanische Parteifreunde eine begrenzte Auffassungsgabe bescheinigen. Diverse Politiker diesseits des Atlantiks wünschen dem US-Verteidigungsminister nichts sehnlicher als eine Karte von Europa, mit deren Hilfe er ein paar Ländernamen auswendig lernen kann, bevor Wladimir Putin auf die Idee kommt, mal auszuprobieren, ob die USA noch zur Beistandsverpflichtung der Nato stehen. Litauen, Lettland, Estland zum Beispiel.

Diesen Pete Hegseth traf der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius am Montagmittag in Washington – just zu dem Zeitpunkt, da US-Präsident Donald Trump nur ein paar Steinwürfe entfernt vom Pentagon, Hegseths Amtssitz, seine mit großem Pomp angekündigte Erklärung zu Russland vortrug. Aus Verärgerung über seinen russischen Amtskollegen Wladimir Putin drohte Trump damit, auf Waren aus Putins Reich künftig
100 Prozent Importzoll zu erheben, falls dieser sich nicht innerhalb von
50 Tagen auf ein Friedensabkommen mit der Ukraine einlässt. Putin hatte zuletzt am Telefon immer schamloser russisches Süßholz geraspelt, nur um anschließend in Kyjiw immer rücksichtsloser russische Raketen einschlagen zu lassen. 

Trump aber kündigte noch mehr an. Die USA wollen der Ukraine künftig mehrere Flugabwehrsysteme vom Typ Patriot zur Verfügung stellen – bezahlt und ausgeliefert von Europa. Und hier kommt wieder Hegseth ins Spiel, und Pistorius auch.

An Europa verkaufen statt an die Ukraine verschenken

Trumps Ärger über Putin hält schon etwas länger an. Auch die Idee, der Ukraine wieder Waffen zu liefern, ist nicht neu. Nur stand ihr bisher Trumps Ansage entgegen, genau das nicht mehr machen zu wollen. Erratisch ist das neue Normal in der US-Politik. Hegseth kam die Aufgabe zu, sich zu überlegen, wie die USA der Ukraine Waffen liefern können, ohne dass Trump sein Wort brechen muss. 

Ein Vorschlag von Pistorius, den er seinem Amtskollegen bereits vor einigen Wochen per Telefon unterbreitet hatte, kam ihm zu Hilfe: Deutschland könne den USA zwei der in der Ukraine so dringend benötigten Patriot-Systeme abkaufen, Norwegen womöglich ein drittes, und die beiden würden sie dann weiterreichen. Schließlich sei es etwas völlig anderes, Waffen an Europäer zu verkaufen, als sie kostenlos der Ukraine zu liefern. Das leuchtete selbst Hegseth ein. 

Nur leider liegt Hegseths Stärke nicht darin, klar Position zu beziehen und die dann konsequent durchzuhalten. Und so war bei der Landung von Pistorius in Washington am Montagmittag noch nicht klar, ob sich die US-Seite auf den Deal einlassen würde, geschweige denn, wie er genau ablaufen solle. Und auch nicht, um welche Konfiguration der Patriot es sich handeln könnte. Letzteres ist eine nicht ganz unwichtige Preisfrage. Für die modernste Variante des hochtechnisierten Systems darf man – inklusive Raketen – gern mal rund eine Milliarde Euro hinblättern, pro Stück. Ältere Patriots aus US-Beständen sind billiger zu haben.

Nach seinem Treffen mit Hegseth steht Pistorius nun auf einem Rasen in der Columbia Island Marina, einem Jachthafen, im Hintergrund sieht man das Pentagon mit seinen je 280 Meter langen Außenwänden. Auf dem Gelände selbst dürfen, seitdem Trump regiert und Hegseth gehorcht, ausländische Politiker keine Statements mehr abgeben. Auch Pistorius nicht. Also musste er erst mal um fünf Ecken gefahren werden, bevor er sagen durfte, was er denn mit seinem Kollegen vereinbart hatte.

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