„Europa braucht seine eigenen Streitkräfte“

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj
wirft Russland vor, an einem Ende des Krieges in der Ukraine
nicht interessiert zu sein. „Es möchte keinen Frieden“, sagt
Selenskyj in einer Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz. „Es bereitet
sich nicht auf Dialog vor.“

Er warnte vor weiteren Angriffen Russlands. Derzeit baue das Land seine Armee weiter auf, Selenskyj sprach von neuen Rekrutierungszentren in Russland. Zudem habe die Ukraine nachrichtendienstliche Erkenntnisse, dass die russische Führung noch in diesem Sommer Soldaten in das verbündete Belarus
verlegen
wollen. „Belarus grenzt an drei Nato-Staaten.“

Darum fordere er: Europa müsse sich daran anpassen. Dafür brauche es eine europäische Armee, um Russland wirksam
entgegentreten zu können. „Jetzt ist die Zeit“, sagt Selenskyj. „Ich kann Sie nur dazu
aufrufen, zu handeln, zu ihrem eigenen Wohl. Die Zeit ist gekommen. Europa braucht seine eigenen Streitkräfte.“

„Putin lügt“

Es werde keinen Frieden in seinem Land geben, ohne dass
die Regierungen in Kyjiw und Europa an den Verhandlungen darüber
beteiligt sind, sagte er weiter. „Keine Entscheidung über die Ukraine ohne die
Ukraine, keine Entscheidung über Europa ohne Europa.“ Die Ukraine werde niemals ein Abkommen akzeptieren, das hinter ihrem Rücken
abgeschlossen werde.

Um einer Waffenruhe zustimmen zu können, brauche die Ukraine echte Sicherheitsgarantien. Russlands Präsident Wladimir Putin könne diese Garantien nicht anbieten, auf russische Zusagen sei kein Verlass: „Putin lügt“, sagte Selenskyj, „und er ist schwach.“ Russland brauche einen Krieg, damit Putin
an der Macht bleiben könne.

Eine Möglichkeit für echte Sicherheitsgarantien sehe er in einer Nato-Mitgliedschaft der Ukraine, sagte Selenskyj weiter. Die Zukunft seines Landes sehe er in Europa, auch als Mitglied der EU.

Wie weit reicht die Unterstützung der USA?

Der ukrainische Präsident äußerte sich auch zu Gesprächen mit dem US-Präsidenten Donald Trump. Am Mittwoch hatte der Trump ein anderthalbstündiges
Telefonat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin geführt
, ohne
sich vorab mit den Europäerinnen und Europäern abzustimmen. Im Anschluss erklärte er, er
habe mit Putin einen „unverzüglichen“ Beginn von Verhandlungen über die
Zukunft der Ukraine vereinbart. Trump hatte bereits im
Präsidentschaftswahlkampf die Militärhilfen seines Landes an die Ukraine
wiederholt kritisiert. Nun sagte Selenskyj, auch er habe mit Trump telefoniert. Er glaube jedoch nicht, dass sich eine detaillierte Lösung am Telefon finden lasse. 

Am Samstagvormittag hatte der Bundeskanzler Olaf Scholz auf der Münchner Sicherheitskonferenz der Ukraine
weitere europäische Unterstützung zugesichert
. An Friedensverhandlungen müsse die Ukraine selbst unbedingt beteiligt werden, sagte Scholz weiter. „Ein Diktatfrieden wird niemals unsere
Unterstützung finden.“ Die Ukraine müsse „am Ende jeder Verhandlungslösung über Streitkräfte
verfügen, mit denen sie jeden erneuten russischen Angriff abwehren
kann“. 

Die Münchner Sicherheitskonferenz
gilt als weltweit wichtigstes Expertenforum zur Sicherheitspolitik.
Mehr als 50 Staats- und Regierungschefinnen und -chefs, mehr als 150
Ministerinnen und Minister und Hunderte weitere Fachleute nehmen an der
Konferenz vom 14. bis zum 16. Februar teil. Die Bemühungen um Frieden in der Ukraine stehen in diesem Jahr thematisch im Mittelpunkt.