EU-Regierungschefs ringen um Einigung zum Thema Migration

Der Gipfel der EU-Staaten droht, von neuem Streit über die Asylpolitik überschattet zu werden. Unterhändler der Staats- und Regierungschefs konnten sich bei Vorbereitungsrunden für das Spitzentreffen nicht auf eine gemeinsame Linie verständigen, berichteten EU-Beamte zuvor in Brüssel. Demnach ist unklar, ob es am Ende eine gemeinsame Erklärung zu Migrationsfragen geben wird. 

Meinungsverschiedenheiten gibt es demnach unter anderem bezüglich der Frage, welche Maßnahmen ergriffen werden sollten, um die Abschiebung abgelehnter Asylbewerbung zu beschleunigen. Ein Teil der Staaten dringt darauf, sichere Partnerstaaten zum Beispiel in Afrika mit Geld zur vorübergehenden Aufnahme von abgelehnten Asylbewerbern zu bewegen, die nicht sofort in ihre Heimatländer zurückgebracht werden können. Kritiker mahnen, dass den Menschen dort eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohen könnte.

Unter anderem der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán fordert zudem, auch die Asylverfahren künftig in Staaten außerhalb der EU in externen „Hotspots“ durchzuführen und Schutzsuchende vorher nicht mehr in die Union zu lassen. 

Diskussionen um deutsche Grenzkontrollen

Zuletzt äußerten mehrere EU-Partner Unverständnis für die Entscheidung der Bundesregierung, nach dem Terroranschlag auf einem Stadtfest in Solingen an allen deutschen Landgrenzen Kontrollen anzuordnen und damit die Bewegungsfreiheit im eigentlich grenzkontrollfreien Schengenraum einzuschränken.

Ebenfalls kontrovers diskutiert wird Polens Ankündigung, in Reaktion auf von Russland und Belarus in Richtung EU geschleuste Migranten vorübergehend das Recht auf Zugang zu Asylverfahren aussetzen zu wollen. „Wir brauchen eine klare und entschlossene europäische Antwort, um diesen Aktivitäten entgegenzuwirken, ohne Russland und Belarus zu erlauben, unsere eigenen Werte gegen uns zu verwenden“, schrieb EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Montag in einem Brief an die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten.

Asylreform geht manchen Mitgliedstaaten nicht weit genug

Hintergrund der aktuellen Debatte ist, dass die im Frühjahr beschlossene EU-Asylreform von etlichen Mitgliedstaaten als unzureichend angesehen wird, um die Probleme wegen unerwünschter Migration in den Griff zu bekommen. Hinzu kommt, dass die Umsetzung sich wegen der Übergangsfrist noch bis Juni 2026 hinziehen könnte. 

Mit der Reform werden Mitgliedstaaten etwa zu einheitlichen Verfahren an den Außengrenzen verpflichtet, damit rasch festgestellt werden kann, ob Asylanträge unbegründet sind und die Geflüchteten dann schneller und direkt von der Außengrenze abgeschoben werden können. Ankommende Menschen aus sicher geltenden Ländern sollen dabei nach dem Grenzübertritt unter haftähnlichen Bedingungen in streng kontrollierte Aufnahmeeinrichtungen kommen. 

Irreguläre Migration in EU-Länder geht laut Frontex insgesamt zurück

Zwischen Januar und September dieses Jahres hat die EU-Grenzschutzagentur Frontex 166.000 irreguläre Grenzübertritte in EU-Länder registriert – ein deutlicher Rückgang zum Vorjahreszeitraum. Laut Frontex waren es im gleichen Zeitraum des vorigen Jahres 42 Prozent mehr.

Dabei meldete Frontex unterschiedliche Entwicklungen je nach Region. So gab es demnach auf den Routen durch den westlichen Balkan und das Mittelmeer weniger Grenzübertritte. Einen deutlichen Anstieg gab es demnach bei der Zahl der Einreisen über die sogenannte westafrikanische Route und an den östlichen EU-Außengrenzen zu Polen und den baltischen Staaten.

Zudem soll dafür gesorgt werden, dass stark belasteten Staaten wie Italien und Griechenland künftig ein Teil der Asylsuchenden abgenommen wird. Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, sollen zu Ausgleichszahlungen gezwungen werden. 

Kriege in Nahost und Ukraine werden auch Themen sein

Neben den Beratungen zur Migrationspolitik stehen beim EU-Gipfel Gespräche zum Krieg in Nahost und zur Lage in der Ukraine auf der Tagesordnung. Als Gast wird der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erwartet, der den von ihm sogenannten „Siegesplan“ im Kampf gegen den russischen Angriffskrieg auf europäischer Bühne und bei der Nato vorstellen will.

„Ich werde ihn unseren EU-Partnern beim Treffen des Europäischen Rates präsentieren“, sagte Selenskyj. Er hatte den Plan, der an erster Stelle eine umgehende und bedingungslose Einladung zum Nato-Beitritt vorsieht, zuvor in Kiew erstmals vor Abgeordneten der Obersten Rada, dem Parlament, erläutert. Er hatte die Punkte außerdem bereits vergangene Woche in Rom, Paris und London hinter verschlossenen Türen vorgestellt. In Berlin weihte er Kanzler Olaf Scholz (SPD) ein.