, singt Cameron Winter mit zitternder Stimme. Kein Witz, verkündet er weiter: Sakrale Klavier- und Streicherklänge begleiten den 22-jährigen New Yorker dabei im Song , Winter wiederholt seine frohe Botschaft mit beseelter Energie und schränkt sie im weiteren Bewusstseinsstrom nur ein bisschen ein: Kein Witz, wie gesagt, zumindest diesmal. Gott gibt es wirklich.
Winters Debütalbum ist ein Ereignis. Eine Sammlung impressionistischer Songs, die keinen Regeln zu folgen scheinen, die organisch fließen, sich intuitiv entwickeln, häufig nur aus Klavier, kleinem Orchester und verhallten Soundscapes bestehen. Und aus dieser irren Stimme. Winter ist ein intensiver Sänger, der inbrünstig beschwört oder in ein brüchiges Falsett entschwebt. Er klingt viel älter als 22 Jahre. Er scheint eher 220 Jahre alt zu sein, so viel Weisheit und Weltschmerz schwingt in seinem vibrierenden Gesang.
Dass ausgerechnet er die große – oder erste? – Gospel-Folk-Piano-Platte unserer Zeit aufnehmen würde, hätte wohl niemand gedacht. Als Sänger der Band Geese wurde Winter bisher als „vielversprechender junger Rocker“ () oder „Rock-Wunderkind“ () gehandelt. (2023), das dritte Album von Geese, war eine Feelgood-Platte, die in den Exzessen der Siebzigerjahre badete. Winters reizvolle Persönlichkeit zeigte sich darauf, aber ein Streben nach Transzendenz legte sie noch nicht nahe.
Das Umfeld des „Rock-Wunderkinds“ war von dessen Soloexkurs zunächst nicht überzeugt. Freunde und Label rieten Winter, sich auf einen Misserfolg einzustellen, erzählte der Musiker zuletzt in Interviews. ist bereits im Dezember 2024 erschienen; ein Termin, der auf niedrige Erwartungen der kleinen Plattenfirma Partisan Records hinweisen könnte. Im Niemandsland vor Weihnachten, wenn die Bestenlisten der Popkritik schon geschrieben sind, werden selten große Alben veröffentlicht.
Es dauerte folglich einige Monate, bis sich herumgesprochen hatte, was für ein herausragendes Solodebüt Winter gelungen ist. Nick Cave schrieb im April einen Blogpost über , „dieses wundersame Ding“. Große Porträts in ebensolchen internationalen Zeitungen erscheinen erst jetzt über Winter. Nicht, dass man aus ihnen sonderlich schlau würde. Der Musiker antwortet selten mit mehr als einem Satz, und dieser eine Satz ist meistens ein Witz. Oder auch nicht: Hat vielleicht wirklich ein Fünfjähriger auf Bass gespielt, wie Winter behauptete?
Er ist ein undurchschaubarer Typ, der undurchschaubare Texte schreibt. Was hat es auf sich mit der, wir übersetzen, „Polonäse hinter mir, die tausend Hühner lang ist“? Und was meint er, wenn er sich mit einem ertrunkenen Gründungsmitglied der Rolling Stones vergleicht und feststellt ? Ein blöder Witz ist das nicht, zumindest so viel spürt man. Winters Einheit aus kryptischem Bewusstseinsstrom und Intensität des Gesangs packt einen mit großer Kraft und paradoxerweise auch Klarheit. Nichts ist klar und doch ist alles klar.
Darin liegt ein reizvoller Bruch mit dem noch immer dominanten Modus im heutigen Pop- und Indie-Songwriting, Texte von maximaler Intimität und Direktheit zu schreiben, die unverblümt private Szenen schildern. Taylor Swift und Phoebe Bridgers sind die Direktorinnen dieser Schule, Winter könnte bald ihr berühmtester Schulschwänzer sein. Er macht etwas anderes, schreibt surrealistisch, bildgewaltig, rätselhaft. Er ist ein Dichter. Ein Nachfolger des Songwriters und Poeten David Berman, einer Ikone der US-amerikanischen Gegenkultur, die auch schon mit zitternder Stimme nach Traurigkeit und Schönheit suchte und beides fand. Berman berichtete ebenfalls von religiösen Erfahrungen: Einmal, sang er im Song , sei ihm ein Engel erschienen und habe ihm endlich das Maul gestopft.
So frei Winters Lieder auch schweben, sie sind immer mitreißend, hypnotisch. Man will sie wieder und wieder hören. Es gibt sogar einen beinahe klassischen Popsong auf : wird von seinem Schlagzeug angetrieben, der Bass groovt, das Klavier klimpert auf den hohen Tasten, und Winter singt mit dieser fantastischen Stimme, wechselt ins Falsett, vollzieht eine unerwartete Melodiefigur. Der Musiker löst sich auf im Strom der Musik. Er reist ins Innere, und dann ist er verschwunden. Einer wie er darf aber gern wiederkommen.