Durfte die Polizei Loretta (damals 16) aus dem Unterricht holen?
Vor einem Jahr sorgte der Vorfall am Richard-Wossidlo-Gymnasium in Ribnitz-Damgarten (Mecklenburg-Vorpommern) bundesweit für Schlagzeilen. Am Dienstag sollte das Verwaltungsgericht Greifswald klären, ob der Einsatz überhaupt rechtmäßig war.
Doch die für 10 Uhr angesetzte Verhandlung vor der 2. Kammer platzte, weil ein Schöffe fehlte und Richter Harald Hünecke auf die Schnelle keinen Ersatz herbei telefonieren konnte. Neuer Termin ist im Juni.
„Auch wenn man dem Gericht keinen Vorwurf machen kann, ist das für meine minderjährige Mandantin sehr misslich“, sagt Anwalt, Prof. Dr. Ralf Stark (61). „Sie wartet seit über einem Jahr auf die Feststellung, dass der Polizeieinsatz übertrieben war.“
„Besonderes“ Einschreiten der Polizei nicht erforderlich
▶︎ Was war geschehen? Eine anonyme Tipp-Geberin aus NRW hatte in einer E-Mail an Lorettas Schule behauptet, das Mädchen würde rassistische Inhalte auf TikTok verbreiten. Der Schulleiter alarmierte die Polizei. Das Revier schickte einen Streifwagen mit drei Beamten in die Schule.
▶︎ Bei den vermeintlich rassistischen Posts handelt es sich um Memes mit Botschaften wie „In Deutschland wird Deutsch gesprochen“ und „nix yallah yallah“.
„Bereits vor der Abfahrt zur Schule wurde eine Sichtung der streitgegenständlichen E-Mail sowie der Screenshots vorgenommen“, schreibt Prof. Dr. Mirko Faber der im Prozess das Land Mecklenburg-Vorpommern vertritt, in seiner Klageerwiderung.
Und räumt dann ein: „Diese Sichtung legte nicht den Anfangsverdacht einer strafbaren Handlung der Klägerin nahe: kein Verhalten jedenfalls, das ein ‚besonderes‘ Einschreiten der Polizei erforderte …“
Lorettas Anwalt bot deshalb im Gerichtssaal erneut an, die Klage zurückzunehmen, wenn das Land Mecklenburg-Vorpommern erklärt, dass der Einsatz überzogen war und sich entschuldigt. Das aber lehnten die Vertreter ab.
▶︎ Ein weiteres Verfahren vor dem Verwaltungsgericht soll zudem klären, ob auch der Schulleiter unrechtmäßig gehandelt hat. Dafür gibt es bisher noch keinen Termin.
„Für meine Tochter ist das alles sehr belastend. Nach über einem Jahr haben wir noch immer keine Gewissheit“, sagt Mutter Annett B. (42).