„Er wird ein politischer Papst sein“

ZEIT ONLINE: Schwester Katharina Ganz, was
dachten Sie, als Sie den neuen Papst auf den Balkon treten sahen?

Schwester Katharina Ganz: Ich muss
gestehen, ich hatte Robert Prevost nicht auf dem Schirm und konnte nicht gleich
einordnen: Wer ist das? Er kam in einem traditionellen Papstgewand, damit unterschied
er sich optisch schon mal von seinem Vorgänger Franziskus. Er hielt eine
relativ lange Ansprache, die stark vom Thema Frieden geprägt war. Man hat
gemerkt, dass er Brücken schlagen will innerhalb der Kirche. Prevost ist
polyglott, er ist Kosmopolit und Ordensmann. Ich denke, dass er einen globalen
Blick auf Kirche und Welt hat.

ZEIT ONLINE: Prevost hat den
Namen Leo XIV. gewählt. Was lässt sich daraus ableiten?

Ganz: Dass er anknüpft an
Leo XIII., der die Soziallehre der katholischen Kirche begründet hat. Er
verstand sich als politischen Papst, daher glaube ich, der Name ist ein
Statement: Leo XIV. wird ebenfalls ein politischer Papst sein. Und er wird auch
Franziskus’ Anliegen weiterführen: Er hat auf dem Balkon verkündet, dass er das
Prinzip der Synodalität fortschreiben möchte. Das stimmt mich hoffnungsfroh.

ZEIT ONLINE: Was bedeutet seine
Wahl für die deutsche katholische Kirche?

Ganz: Er wird ein
Gesprächspartner für uns sein. Er wird zuhören, kommunizieren, mit uns einen
Weg suchen, wie wir unseren synodalen Weg weitergehen können. Das traue ich ihm
zu. Er wird aber auch jemand sein, so scheint mir, mit dem man sich
auseinandersetzen muss, der eigene Meinungen hat und an dem man nicht so leicht
vorbeikommt.

ZEIT ONLINE: Was ist in der Frauenfrage vom neuen Papst zu
erwarten? Prevost sagte 2023 laut der Nachrichtenagentur CNA, dass die Weihe
von Frauen nicht unbedingt ein Problem löse, sondern vielleicht ein neues
Problem schaffe
.

Ganz: Da habe ich Sorge,
dass die Hoffnungen, die viele von uns in der nördlichen Hemisphäre haben,
enttäuscht werden. Ich fürchte, dass der neue Papst das Thema Frauenweihe nicht
forcieren, sondern eher Franziskus’ Linie fortsetzt wird, also Frauen in
Leitungspositionen bringt, die keine Weihe erfordern. Am Schluss seiner
Ansprache hat er mit den Gläubigen ein Ave Maria gebetet. Die Frage wird sein:
Wie sieht er Maria, welches Frauenbild hat er? Wo sieht er uns in der Kirche?

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