Er litt an schweren Krankheiten, außerdem hatte er mit Alkohol-, Kokain- und Spielsucht zu kämpfen, ja, es war, als habe das Schicksal aus allen Rohren auf ihn gefeuert. Und doch war dieser Mann nicht zu brechen. Je länger er standhielt, desto mehr wurde er geliebt, ein Entertainer, der durch sein pures Noch-da-Sein Freude verbreitete. Seine Lebenskunst bestand darin, das Leben, es selbst moderierend, zu überstehen. Und er vermochte es, über die Wunder der Existenz bis zuletzt ansteckend zu staunen: Sein Lieblingswort lautete sen-sa-tionell.
Carlo von Tiedemann war der Sohn eines Generalleutnants, der im Ersten Weltkrieg vor Verdun gelegen und im Zweiten Weltkrieg den Überfall auf Polen mitgemacht hatte; mütterlicherseits war er verwandt mit Heinrich von Kleist. Es war also viel Stahl und Zucht in seiner Familie, doch Carlo, Einzelkind mit dem Kosenamen Pützelchen, ging andere Wege – etwa den zur Aktuellen Schaubude. Seine Knurrstimme war zum samtenen Schlichterton gebändigt. Dieser Adelige klang eher wie ein Repräsentant des roten (proletarischen und warmherzigen) als des weißen (blasierten) Hamburgs. Er war als Radio- und TV-Mann, Moderator im umfassenden Sinn: Stets riet er zum Vergleich (zur Pointe) statt zur Eskalation. Jetzt ist er in Hamburg gestorben; er wurde 81 Jahre alt.