Ein schwarzer Himmel, von einzelnen Lichtpunkten besetzt. Ein Donnergrollen, zu dem die Band im Halbdunkel die Bühne betritt. Ein Auftakt mit den Drumsticks von Schlagzeuger Jason Cooper, dann der Einsatz mit voller Orchestrierung in einem langsamen, getragenen Rhythmus. Synthesizer, Gitarren, der Bass von Simon Gallup, der seit Langem schon so aussieht, als könnte die Zeit seinem Körper nichts mehr anhaben.
Das lässt sich über Robert Smith, den Sänger und Gitarristen von The Cure, nicht sagen. Trotzdem haftet diesem Mann nichts Lächerliches an, höchstens etwas Rührendes, wenn er – in engen schwarzen Hosen und überdimensionierten halbhohen Turnschuhen, das spärlicher werdende Haupthaar noch immer auftoupiert, den roten Lippenstift noch immer malerisch über die untere Gesichtshälfte verteilt – auf der Bühne steht.
, so hieß der Opener der 44 Stationen umfassenden Welttournee von The Cure im Winter 2022/23. Das Stück war einer von fünf neuen Songs auf der Setlist. war die Tournee betitelt. Gleichzeitig sollte so der Name des Albums lauten, an dem die Band angeblich seit Jahren arbeitete und dessen Erscheinungstermin immer wieder verschoben wurde, bis sich kürzlich auf dem offiziellen Instagram-Account von The Cure etwas tat. Ein kurzer kryptischer Clip erschien dort, in dem unter der Zeile in römischen Ziffern das Datum 1.11.2024 aufblinkte. Kurz darauf, ebenfalls auf Instagram, zwei Soundschnipsel, keine zehn Sekunden lang. Beide aus dem Song , der ersten Studioveröffentlichung von The Cure seit 16 Jahren, seit dem nicht eben herausragenden Album .
Beim Radiosender BBC 6 feierte die komplette Studioversion von nun Weltpremiere. Was dieses Ereignis für Fans von The Cure bedeutet, illustrieren E-Mails, die das BBC-Studio während der Sendung von Moderatorin Mary Anne Hobbs erreichten und die diese auszugsweise vorlas. Menschen berichteten darin unter anderem, wie sie sich an einem Mittwochvormittag angemessen festlich – also komplett in schwarz gekleidet – vor das Radio gesetzt hatten, um sich zu vergegenwärtigen, dass es tatsächlich noch immer nicht vorbei ist. 48 Jahre nach Gründung der Band, zunächst unter dem Namen Malice – dass auf die 13 Studioalben tatsächlich ein 14. folgen wird.
Musikalisch ist keine Überraschung. Es sei denn, man wäre überrascht davon, wie schön dieser Song ist, wie klassisch und neu zugleich, und wie frisch die Stimme von Robert Smith, der im April 65 Jahre alt wurde, noch immer klingt. 6:48 Minuten dauert , die Hälfte davon vergeht, bevor sich Smiths Stimme mit der Zeile aus dem dichten Klangteppich entrollt.
Auf den Konzerten nutzte Smith die lange Instrumentalstrecke zu Beginn, um in langsamen Sidesteps einmal die Bühne von links nach rechts zu vermessen und dabei das Publikum zu begrüßen. Wer auf einem oder gar mehreren dieser Konzerte dabei sein durfte, spürte die freundliche Atmosphäre und die authentische Innigkeit, die Fans und Band verbindet. Und konnte zugleich feststellen, dass The Cure bis heute eine großartige Liveband geblieben sind, die keinen Auftritt unter zweieinhalb Stunden absolviert.
, so zitierte die BBC Robert Smith unmittelbar vor der Ausstrahlung des Songs, . Sobald dieser Song aufgenommen und produziert gewesen sei, habe Smith gewusst, dass sich nun das gesamte Album zusammensetzen würde. Er fügt sich in die Tradition der langen, getragenen, melancholischen ersten Albumstücke ein, die The Cure seit der Platte aus dem Jahr 1989 pflegen.
war damals ein bombastisches Lied, eine Kathedrale von einem Song. klingt zurückgenommener, aber nicht weniger einprägsam. Ein wiegendes Aufbauen und Wiedernachlassen von Anspannung, bevor Smith mit heller, hoher, klarer Stimme beginnt, von Einsamkeit und Verlusten, vom Älterwerden und dem Verschwinden der Leichtigkeit zu singen. Davon, dass man nur noch ein Gespenst dessen sei, was man einmal war. Von Vögeln, die vom Himmel fallen, und Worten, die dem Geist verloren gehen. , lautet eine wiederkehrende Textzeile.
wird, da lehnt man sich wohl nicht zu weit aus dem Fenster, kein heiteres Album. Seine lange Entstehungszeit prägten Schicksalsschläge wie der Tod von Robert Smiths Bruder, dem gewidmet ist, einer der fünf Songs der neuen Platte, die zum festen Repertoire der letzten Welttournee gehörten. Allerdings: , sang Robert Smith bereits in auf dem Album , das auch schon wieder 24 Jahre zurückliegt. Und schickte hinterher:
Ein Irrtum. Das neue Album von The Cure ist kein spektakulär inszeniertes Comeback, kein Revival als Medienspektakel. Es hat diese Band immer gegeben, sie hat sich nur mit allem immer mehr Zeit gelassen. Und die Fans sind mit ihr im Guten älter geworden. Bis heute ist nichts daran peinlich, The Cure zu hören, ganz gleich, welche Schaffensphase man gerade bevorzugt.
Wie emotional das Verhältnis der Band zu ihren neuen Stücken ist, zeigte sich auf den Konzerten, wenn Robert Smith beim Singen des unglaublich schönen und anrührenden die Tränen übers Gesicht liefen. So lange diese Stimme, die Smith als ein Geschenk betrachtet, trage, werde er auch weitermachen, wird er zitiert. – das letzte Wort ist noch nicht gesungen.