Dies ist die Geschichte eines Mordes, der nie aufgeklärt wurde. Und es ist die Geschichte eines Mannes, der zum Opfer wurde, als er einer der einflussreichsten Menschen in der deutschen Gesellschaft
war. Die Rede ist von Alfred Herrhausen, Sprecher des Vorstands der Deutschen Bank bis zum Tag seiner Ermordung am 30. November 1989. Herrhausen, der Name sagt
vielen schon nichts mehr, aber sein Denken hinterlässt noch immer Spuren.
Die ARD verwandelt diese Geschichte in einen
zeitgeschichtlichen Thriller, in vier Teilen vom Leben zum Tod. ist eine fürs deutsche Fernsehen außergewöhnlich sehenswerte
Fiction-Produktion, ein großer Spielfilm als Mehrteiler.
erinnert entfernt an die ZDF-Serie aus den Jahren 2017
und 2020
über eine fiktive Großbank in Frankfurt am Main. Auch die war schauspielerisch
exzellent besetzt (mit Désirée Nosbusch in der Hauptrolle), fiel durch ihre
schnelle Erzählweise auf und hat das Banken-Milieu präzise eingefangen. Inhaltlich
knüpft jedoch an die großen zeitgeschichtlichen
Produktionen an, die von der frühen Bundesrepublik () erzählen und die DDR ()
sowie die deutsch-deutsche Geschichte (, , ) verhandeln.
Also, wer war Alfred Herrhausen? Ein 1930 geborener Bankmanager, sagt Wikipedia, ein konservativer Anarchist, sagt Thomas Schreiber, der für den Mehrteiler in der ARD verantwortlich ist. Ein Freund, schrieb seine Patentochter, die Journalistin Carolin Emcke. Ein Weggefährte, sagte der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl bei der
Trauerfeier für Herrhausen.
Der lebte offenbar nach den Grundsätzen „Stillstand bedeutet
Tod“ und „Geld, das nicht gestaltet, ist verschwendet“. Es sind entscheidende
Sätze auch in dem ARD-Mehrteiler. Als Sprecher des Vorstands der Deutschen Bank organisierte Herrhausen Kredite für die reformwilligen Regime in Osteuropa gegen Ende des Kalten Krieges. Er hat in dieser historischen Schwellenzeit dazu
beigetragen, dass der Wandel in Osteuropa nach 1985 weitgehend friedlich
verlief, allen voran half er Michail Gorbatschow in der damals noch
existierenden Sowjetunion.
Dabei handelte Herrhausen nie selbstlos, sondern immer
auf den Vorteil seiner Bank bedacht, aber mindestens so sehr war er ein politischer
Machtmensch, der den Zweiten Weltkrieg erlebt hatte und ein friedliches Europa
mitgestalten wollte. In
einer Rede, die er nicht mehr halten konnte und die nach seinem Tod in der
ZEIT erschienen ist, entwarf Herrhausen noch das Bild eines europäischen
Binnenmarktes, einer gemeinsamen europäischen Währung und einer Welt, die gemeinsam
die drohende „ökologische Katastrophe“ bekämpfen würde.
Zugleich war Herrhausen ein wesentlicher Akteur der sogenannten Deutschland
AG – in der Linken nannten sie es den politisch-industriellen Komplex. Diese konservative
Elite war aufs Engste untereinander verbunden und traf in wechselnden Konstellationen
weitreichende Entscheidungen. Als Teil dieses Netzwerks, und als Chef der Deutschen Bank dessen
größter Finanzier, machte Herrhausen Industriepolitik, handelte Unternehmensbeteiligungen
und entschied dadurch, wer ein Unternehmen übernehmen konnte – und wer
übernommen wurde.
Herrhausen trieb unter anderem durch die Fusion von Daimler mit MBB die Bildung eines führenden deutschen
Rüstungskonzerns voran. Diese Rüstungssparte
bildet heute wiederum die deutsche Hälfte von Airbus. In der Deutschen Bank
selbst, das wird in exzellent beschrieben und inszeniert, kämpfte er
für den Umbau des Geldhauses in eine moderne, digitalisierte, vom Investment-Banking
angetriebene Bank. Seine Nachfolger haben diese Strategie fortgesetzt, einige mit
eher mäßigem Erfolg.
Der Mehrteiler orientiert sich insofern an historischen
Gegebenheiten. Doch um daraus eine große Erzählung werden zu lassen, haben sich
Drehbuch (Thomas Wendrich), Regie (Pia Strietmann) und Produzentin (Gabriela
Sperl) die Freiheit genommen, Dialoge und Szenen wie beispielsweise im Haus der Herrhausens oder in der Bank oder auf Fahrten mit dem Chauffeur zu erfinden.