Ein zarter Flirt am Rande der Nutztiermesse

Gwen Stefani hat immer wieder die richtigen Dinge zur richtigen Zeit getan. In den frühen Neunzigern holzte sie mit ihrer Band No Doubt zunächst rustikale Skatepunk-Songs herunter, führte die Gruppe jedoch rasch aus dem eher limitierenden Genre in den MTV-Mainstream. Ausverkaufte Touren und der riesige Hit im Jahr 1995 folgten – wer damals Mittelstufenschüler war und erstmals unglücklich verliebt, kann den Song bis heute mitsingen. 2001 schoben Stefani und ihre Mitmusiker aus dem kalifornischen Anaheim auf dem Album New Wave Reggae und Hip-Hop ins Klangbild, auch das Stück wurde ein riesiger Hit. 2004 schickte Stefani No Doubt in den Pausenraum und kehrte bisher auch nur für Kurzzeitreunions mit der Band zurück. Das Album machte sie zum Solopopstar, bescherte ihr den dritten riesigen Hit. Das ist 20 Jahre her, Stefanis letzte Platte immerhin acht. Einige Singles erschienen danach noch, zum Hit wurde keine davon.

Die Medien schrieben über Stefani in den letzten Jahren aus musikfernen Gründen, etwa wegen ihrer Ehe mit Blake Shelton. Dieser ist ein in den USA sehr populärer Countrysänger, der es mittlerweile auf 29 Nummer-eins-Hits in den entsprechenden Genrecharts gebracht hat. Als Stammproduzent des Musikers fungiert Scott Hendricks, den man nicht kennen müsste, hätte er nicht auch Stefanis Solocomeback produziert. Der 68-Jährige gehört zu den wichtigsten Vertretern der Countryszene von Nashville, er formte unter anderem die Karrieren von Garth Brooks und Keith Urban mit. Country ist bei ihm eine Pose, deren Kern die Ausblendung von allem Städtischem bildet und an deren Stiefeln keinerlei Schmutz klebt. Wer seine Songs hört, hat nicht etwa Bilder von Rednecks im Kopf, die auf Bierdosen schießen, sondern Hochzeiten auf Farmanlagen im sogenannten der USA oder zarte Flirts am Rande einer Nutztiermesse im Bundesstaat Iowa.

Hendricks ist also ein Kitschonkel, auch auf beweist er das wieder. Mit zehn Songs führt er Stefani weg vom für sie lange Zeit charakteristischen Hollywoodbling. Nichts mutet diesmal exaltiert an, nichts erscheint futuristisch. Stattdessen hört man Musik, die gar nicht erst zu verbergen versucht, wie sehr sie allen und jedem gefallen will.

Eine ganze Armada externer Autorinnen und Autoren wurde für die Songs auf hinzugezogen, ihre Referenzen reichen von Maroon 5 über Lady Gaga bis zu Cher. Mehr als gelegentliche Bonmots wie die Textzeile aus dem Titelstück oder einige Vokalverästelungen aus der Taylor-Swift-Schule sind ihnen aber nicht eingefallen. Letztere hört man besonders in , einem von fünf Stücken, die etwas mit Schnittblumen zu tun haben – zumindest vordergründig. Tatsächlich geht es natürlich um die Liebe zwischen Stefani und ihrem Ehemann. Der Tenor: Genau zum richtigen Zeitpunkt habe man sich gefunden und gegenseitig aus dem Schlamassel gezogen. Natürlich singen die beiden im abschließenden auch ein gemeinsames Loblied aufeinander.

Ein wichtiger Einfluss auf , sagte Stefani in einem Interview mit der US-Ausgabe des , sei Musik gewesen, die während ihrer Kindheit im Familienkombi auf dem Weg in die Kirche lief. Ein Klischee natürlich, mit dem man jedoch leben könnte, wenn die Songs zu dieser Erinnerung nicht so formelhaft, unverziert und emotionslos klängen. Gerade der Vergleich zu Stefanis Solodebüt , das diese Tage als Jubiläumsedition neu erscheint, fällt verheerend aus. Mit Produzenten wie Pharrell Williams und André 3000 veröffentlichte Stefani damals quietschbunte, an Punk, Pop und Hip-Hop angelehnte musikalische Wimmelbilder. Damit nahm sie nicht nur einiges vorweg, womit Lady Gaga und Katy Perry später erfolgreich wurden, sondern kommentierte auch den popkulturellen Zeitgeist zwischen Fashionblogs und Social-Media-Erwachen pointiert.

Solch visionäre Schwingungen gibt es auf nicht mehr. Gwen Stefani klingt müde, trotz der noch immer hörbaren Kaugummifärbung ihrer Stimme, die es nur bei Sängerinnen und Sängern aus Kalifornien gibt. Aus ihrer Herkunft und den Nashville-Einflüssen von Ehemann und Produzent entsteht jedoch keinerlei Spannung. Als die Künstlerin im Frühjahr beim Coachella-Festival auftrat, tat sie es folgerichtig nicht allein, sondern mit ihrer alten Band No Doubt. Mit dem Wissen um ihr vergurktes Solocomeback muss man sagen: Auch das war die richtige Entscheidung zur richtigen Zeit.

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