Ein Luftschloss aus Buzzwords

Günstiger
Wohnraum für alle ist ein hehres Ziel, doch die Realität ist eine andere. In
den Städten steigen die Mietpreise, und auf dem Land, wo man noch günstig
wohnen kann, ist die Infrastruktur schlecht. Die neue Bundesbauministerin
Verena Hubertz will deshalb nicht nur mehr, sondern auch billiger bauen. Mieten
von rund 15 Euro pro Quadratmeter sind ihr Ziel, der aktuelle Durchschnitt liegt
eher bei 20 Euro.

Für
ihr Vorgehen hat sie einen schmissigen Slogan in die Welt gesetzt: „Tempo,
Technologie und Toleranz“. Ist die FDP wirklich aus dem Parlament geflogen – oder
hat sie sich heimlich in die Regierung geschlichen? Nein, Hubertz ist von der
SPD, war aber vor ihrer politischen Karriere in der Start-up-Wirtschaft aktiv
und ist anscheinend noch vom dort üblichen Highspeedkapitalismus infiziert. „Tempo“,
klar, alles muss schnell gehen (und nur die Bürokratie steht im Wege), Hubertz will
deshalb den „Bauturbo“ anwerfen. Helfen sollen dabei neue Technologien, zum
Beispiel der 3D-Druck.

Mit
„Toleranz“ meint sie nicht gemischte Wohnquartiere und Rücksichtnahme auf
Bewohner, Bürgerbeteiligung oder andere sozialdemokratische Errungenschaften,
sondern deren Gegenteil: Die Anwohner sollen mehr Toleranz für Bauprojekte
aufbringen, und damit Kommunen schneller Neubaugebiete ausweisen können, will
sie ihnen mit neuen Gesetzen und Verordnungen eine „Brechstange“ an die Hand
geben. Das Ganze natürlich, Tempo, Tempo, in den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit.

Doch
adressiert Hubertz damit tatsächlich die Probleme, die das Bauwesen hat? Leider
nein, was übrigens auch große Teile der Architektenschaft kritisieren. Denn die
Welt des Bauens ist komplizierter, als es ihre Buzzwords suggerieren. Die Kosten
im Bauwesen werden im Wesentlichen von drei Faktoren bestimmt: Grundstück, Baustoffe
und Arbeitskraft.

Beginnen
wir mit dem Bodenpreis. Vor rund 100 Jahren, als die Sozialdemokratie noch
sozialdemokratisch war, ist der Kampf gegen Spekulation für sie ein großes
Thema gewesen. Damals gab es in der SPD noch Menschen, die der Meinung waren,
dass der Grund und Boden allen Bürgern gehöre und man damit keine
Spekulationsgewinne erzielen solle. An solche Forderungen traut sich Hubertz
nicht heran, wer sie heute noch vertreten will, braucht Mut: Hier kratzt man
nicht nur am Lack des Kapitalismus, hier geht es um mehr.

Der
zweite Kostentreiber sind die Baumaterialien, sie sind in den letzten Jahren
teurer geworden. Transportbeton, um ein Beispiel zu nennen, kostet 2025 ganze 36
Prozent mehr als noch 2021, Zement sogar 60 Prozent. Der Grund dafür sind die
gestiegenen Energiepreise, was zum einen am Krieg in der Ukraine liegt, zum
anderen an den politisch gewollten CO₂-Zertifikaten. Den Krieg kann
Hubertz nicht beeinflussen, und wer die Zukunft im Blick hat, sollte im Bau weiter CO₂ einsparen.

Zu
guter Letzt ist Bauen ein arbeitsintensiver Wirtschaftszweig, gleichzeitig
herrscht Arbeitskräftemangel. Das treibt die Preise nach oben und verzögert den
Bauablauf. Zwar will Hubertz mit neuen Technologien Abhilfe schaffen, aber am
Bau Menschen durch Maschinen zu ersetzen, ist ein alter – und immer wieder
gescheiterter – Traum der Industrie. Für sehr große Bauunternehmen mögen
Hubertz‘ neoliberale Technologiephantasmen attraktiv erscheinen, aber den vielen mittelständischen
Betrieben, die dafür sorgen, dass der Bestand aufgewertet wird, ist damit nicht
geholfen. Dabei sind sie für das Bauwesen überaus wichtig, denn der Neubau
macht nur acht Prozent des Wohnungsmarktes aus. 

Wenn
es im Bau vorangehen soll, braucht man mehr Arbeitskräfte – wie man die
angesichts der Migrationspolitik der neuen Regierung gewinnen will, steht allerdings
in den Sternen. Tempo, Technologie, Toleranz, wie Hubertz es definiert, mögen für
große Bauunternehmen interessant sein und auch deren Rendite erhöhen. Zu einer qualitätsvollen,
zukunftsfähigen Architektur trägt diese Losung eher nicht bei.

Womöglich
ist der Neubau aber eh der falsche Ansatz, um die Krise am Wohnungsmarkt
langfristig zu beheben. An einen viel wichtigeren Hebel traut sich Hubertz
überhaupt nicht ran: nämlich an die Frage, was überhaupt eine zukunftsträchtige
Wohnform ist. Schaut man sich die Marktentwicklung an, dann lautet das Motto
des Wohnens der Zukunft vor allem: mehr Fläche, mehr Fläche, mehr Fläche.