Ein Gespräch zu Putins Gunsten

Kurz vor dem absehbaren Ende seiner Amtszeit hat Olaf Scholz noch einmal Wladimir Putin angerufen. Nach zwei Jahren Funkstille. In dieser Zeit führte Putin seinen brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine weiter – und Scholz entschied sich nach langem Hin und Her, die Ukraine mit Waffen zu beliefern und mit Geld zu unterstützen. Im Übrigen schwiegen Scholz und Putin sich an. Warum sprechen sie also jetzt?

Richtig viel herausgekommen ist bei dem Gespräch nämlich nicht. Scholz, so sagte sein Sprecher, habe Putin gedrängt, endlich Verhandlungen aufzunehmen, mit dem Ziel eines „dauerhaften und gerechten Friedens“. Er habe den Angriffskrieg Russlands verurteilt und Putin zum Rückzug seiner Truppen aus der Ukraine aufgefordert. Das kann der Kanzler natürlich alles sagen und fordern, aber seine Druckmittel sind schwach bis nicht vorhanden. Russische Truppen walzen auf dem Schlachtfeld voran; in den USA hat Donald Trump gewonnen, der die Ukraine vor Putin auf die Knie zwingen will und womöglich bald die Nato durcheinanderwirbelt. 

Der russische Präsident kann also ganz gelassen auf dem beharren, was er seit dem Überfall auf die Ukraine hartnäckig verfolgt: die Einverleibung aller eroberten Gebiete der Ukraine, und noch einiges mehr. Die ostukrainischen Gebiete Luhansk und Donezk hat er vorsorglich schon vollständig annektieren lassen, obwohl er sie noch nicht in Gänze kontrolliert. Zusätzlich besteht er auf der Neutralität der Ukraine: kein Nato-Beitritt und keine Sicherheitsbündnisse mit westlichen Staaten. Mit der praktischen Wehrlosigkeit der Ukraine hätte er das ganze Land in der Hand. Auf diesen Forderungen bestand er auch gegenüber Scholz im Telefongespräch. Wie nicht anders zu erwarten war.

Warum also, noch mal die Frage, spricht man dann überhaupt? Antwort: Weil beide allein von der schlichten Meldung des Gesprächs profitieren. Scholz hatte schon länger um das Telefonat gebeten, so heißt es in Moskau. Er kann nun mit dem endlich vollzogenen Putin-Gespräch als fürsorglicher „Friedenskanzler“ in den Wahlkampf gehen. Das BSW von Sahra Wagenknecht macht der SPD schon länger den Status der Friedenspartei streitig. Scholz kann Wagenknecht nun sagen, während sie nur quatsche, rede er mit Putin. Und in Richtung Friedrich Merz kann der Kanzler signalisieren: „Ich verhandle, während du Taurus-Raketen liefern willst.“

Putins kann sich gesprächsbereit geben

Die größeren Vorteile aber zieht Wladimir Putin aus dem Gespräch. Der Präsident lässt seinen Sprecher betonen, wie sehr Scholz um das Gespräch gebeten habe und dass Putin jetzt Zeit hatte. Putin selbst hatte sich auf Waldai-Forum in der vorigen Woche vor internationalen Politikern und Experten über westliche Politiker lustig gemacht. Die hätten ihn ja lange nicht angerufen. Dann rede er halt mit anderen. Und wer erst jetzt mit ihm sprechen wolle, müsse sich anstellen. Aber grundsätzlich spreche er ja gern über den Frieden. 

Putin, der zweieinhalb Jahre mögliche Gespräche mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj torpediert hat, während russische Truppen die Ukraine zerstückelten, zeigt sich überhaupt gern gesprächsbereit. Aber nur zu seinen Bedingungen. Jetzt kann er auch das Gespräch mit Scholz als Ausweis seiner Verhandlungsbereitschaft vorführen. Andere europäische Politiker werden sich bemüßigt fühlen, ebenfalls anzurufen. Bevor dann Putins Gespräche mit dem wiedergewählten Trump folgen, um die Ukraine großmächtig in die Zange zu nehmen. 

Der gewünschte Moskauer Fahrplan für die Gespräche der kommenden Zeit: Nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine und bald drei Jahren Krieg dort ist Putin trotzdem nicht isoliert und bekommt am Ende einen Waffenstillstand zu seinen Bedingungen. Um diesen Fahrplan umzusetzen, darf Scholz gern noch mal anrufen.