Kann doch eigentlich nicht so schwer sein: ein Opernhaus zu
leiten, dessen Saison nur sechs Wochen dauert, mit einem Repertoire aus nur
zehn Opern und einer Neuinszenierung pro Jahr. Oder doch?
Wer in den vergangenen Jahren Zeuge wurde, wie Katharina
Wagner in wechselnden Konstellationen die Bayreuther Festspiele leitete, musste
unweigerlich zu dem Schluss kommen: Anscheinend ist es doch nicht so leicht
– angesichts der Masse an Dingen, die Jahr für Jahr so schiefgegangen sind.
Mal vergaßen man bei den Festspiele, Sozialabgaben für ihre Mitarbeiter zu bezahlen, mal
klappte der Kartenvorverkauf nicht, mal wurde, ohne es nachher gewollt zu
haben, der Festspielchor aufgelöst. Zuletzt tat sich in der Finanzierung ein derart
großes Loch auf, dass Katharina Wagner das Programm für die Jubiläumsspielzeit
2026, kaum war es verkündet, wieder zusammenstreichen musste. Dazu kamen jedes
Jahr aufs Neue kleinere und größere Reibereien mit dem Personal – von der Kunst gar nicht zu sprechen.
Als Wagner im vergangenen Jahr mit den Gesellschaftern der
Festspiele über ihre Vertragsverlängerung verhandelte, entschied man, dass es
so nicht weitergehen könne. Katharina Wagner, 47, soll sich fortan auf die
Kunst konzentrieren, alle anderen Leitungsaufgaben übernimmt ein General
Manager.
Ein ausgereizter Etat, zu viele Gremien und eine sinkende Kartennachfrage
Der ist nun gefunden, wie die Festspielleitung am Freitag
mitteilte: Matthias Rädel, seit 2006 stellvertretender geschäftsführender
Direktor und leitender Controller der Deutschen Oper Berlin, soll bald aus der
Hauptstadt auf den Grünen Hügel wechseln.
Dort soll er vor allem eines: aufräumen, aber längst
nicht nur das. Es gilt die Sanierung des Festspielhauses neu aufzusetzen, die für
ein Opernhaus ungewöhnlich komplizierten Gremienstrukturen zu durchdringen und Geld
aufzutreiben, um die steigenden Kosten zu decken (der Etat der Festspiele von knapp
30 Millionen Euro kommt schon durch steigende Tariflöhne arg an seine
Grenzen). Ein Marketingkonzept entwerfen muss Rädel auch, damit die einst
legendär hohe, aber längst im Sinkflug befindliche Kartennachfrage wieder anzieht.
Kurz: Es gilt, die Festspiele in eine Zukunft zu führen, über die sich noch
niemand so recht Gedanken gemacht hat, weil alle viel zu sehr beschäftigt damit
waren, die Gegenwart zu überstehen.
Der Großteil der Bayreuther Probleme wurzelt bislang in der
undurchsichtigen Trägerstruktur der Festspiele. Da wären: der Bund, der
Freistaat Bayern, die Stadt Bayreuth und die Gesellschaft der Freunde von
Bayreuth, ein einflussreicher Mäzenatenverein. Vier Körperschaften, deren
Vertreter in mehreren Gremien auf dem Grünen Hügel mitregieren – selbstbewusst,
aber mit unterschiedlich viel Erfahrung, was die Geschicke des Opernbetriebs
anbelangt. Mit ihnen muss Rädel nun als Erstes seinen eigenen Vertrag
verhandeln, künftig wird es dann vor allem darauf ankommen, sich von den Trägern
nicht zu sehr dreinreden zu lassen. Mit dem, was Rädel an der Deutschen Oper
erlebt hat, dürfte der Bayreuther Betrieb wohl nur entfernt Ähnlichkeit haben.
Und noch etwas muss Rädel gelingen: mit Katharina Wagner
zusammenzuarbeiten, deren Erfolg als künstlerische Leiterin künftig auch von
Rädel abhängen wird.
Die Zahl der kaufmännischen Geschäftsführer, die die
Bayreuther Festspiele in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten verschlissen
haben, ist lang: Der erste, Patrick Wasserbauer, von der Oper Köln kommend, zog
schon vor Vertragsbeginn die Reißleine. Sein Nachfolger Heinz-Dieter Sense,
langjähriger Verwaltungschef der Deutschen Oper und der Hamburgischen
Staatsoper, wirkte – er war beim Amtsantritt schon 74 – wie eine
Notlösung, vermochte sich aber mit sanfter Härte und stoischer Ruhe Respekt zu
verschaffen und Ordnung in den Betrieb zu bringen. Zu seinen ersten Jobs
gehörte die vorzeitige Vertragsauflösung mit Jonathan Meese als -Regisseur für 2015, und die folgenden Aufgaben dürften nicht sehr
viel angenehmer gewesen sein.
Ihm folgte Holger von Berg, kommend vom
Residenztheater in München, der aber lieber Strukturen zerschlug, als neue zu
schaffen, und der sich auf dem Grünen Hügel schnell den Ruf eines
Totalberserkers einhandelte. Zahlreiche langjährige Mitarbeiter bis ins
Intendantinnenbüro äußerten hinter gar nicht so sehr vorgehaltener Hand ihre
Freude über dessen Abberufung. Sein
Nachfolger Ulrich Jagels, kommend von der Oper Leipzig, wirkte eher als stummer
Diener und musste als Sündenbock für alles herhalten, was zuletzt nicht rund
lief in Bayreuth.
Von Rädel aber scheint
Katharina Wagner durchaus angetan. Er sei „eine
außergewöhnliche Persönlichkeit im Kulturmanagement“, teilte sie mit, er
verkörpere „auf besondere Weise die Verbindung von Theorie und Praxis, von
Management und Kultur, von administrativer Verantwortung und intellektuellem
Anspruch. Sein Wirken ist geprägt von Integrität, strategischem Denken,
Kommunikationsstärke und einem klaren Wertefundament.“ So harmonisch, das
lassen die Vorschusslorbeeren erahnen, wird es wohl nicht lange bleiben. Denn
mag sich in der 149-jährigen Geschichte der Festspiele auch ungefähr alles
geändert haben, manches ändert sich auf dem Grünen Hügel nie.