DIE ZEIT: In Österreich sind Sie als Dragqueen „Candy Licious“ bekannt geworden. Sie haben nun Ihr erstes Kinderbuch geschrieben, das im Herbst erscheint. Worum geht es darin?
Bernhard Ledinski: Um Benny, der als Pferd geboren wird, aber mit der Zeit draufkommt, dass er ein Einhorn ist. Am Anfang finden die anderen Tiere das noch seltsam und schließen es aus. Am Ende bewirkt das Einhorn aber eine gute Tat – und alles wird gut. Ein bisschen ist das ja auch meine Geschichte.
ZEIT: Sie sind für Ihre bunten Kinderbuchlesungen in Wien bekannt geworden – für die Sie heftig angefeindet wurden. Inzwischen leben Sie in Madrid. Sind Sie deswegen aus Österreich weggezogen?
Ledinski: Ich habe mich schon vor Längerem in diese Stadt verliebt. Und ich wollte immer einmal im Ausland leben. Es war also keine Flucht. Aber der Hass, den ich zuletzt erfahren musste, hat mir den Abschied aus Österreich sicher noch einmal erleichtert.
ZEIT: Wann haben die Anfeindungen begonnen?
Ledinski: Meine erste Kinderlesung hatte ich bei der Wiener Pride vor drei Jahren. FPÖ-Politiker und rechte Aktivisten haben sich sofort wahnsinnig darüber aufgeregt. Schon bei meiner ersten Lesung wurde der Eingang zur städtischen Bibliothek Mariahilf von Unbekannten zugemauert. Die Veranstaltung musste unter Polizeischutz stattfinden.
ZEIT: Haben Sie diese Aufregung erwartet?
Ledinski: Es hat mich schockiert, dass man solche Veranstaltungen in Österreich nur unter Polizeischutz durchführen kann. Und welchen Hass man dabei auf sich zieht – und welche Lügen da verbreitet werden.
ZEIT: Kinderbuchlesungen von Dragqueens polarisieren weltweit. In einigen US-Bundesstaaten wurden sie bereits verboten …
Ledinski: … was die FPÖ übrigens auch in ihrem aktuellen Wahlprogramm fordert.
ZEIT: Die FPÖ spricht von „Transgender-Wahn“ und warf Ihnen „Frühsexualisierung“ und „Indoktrination von Kleinkindern“ vor.
Ledinski: Diese Schlagworte sollen suggerieren: Uh, da kommt jemand und will mit meinem Kind über Sex sprechen!
ZEIT: Sprechen Sie denn über Sex?
Ledinski: Nein, genau das mache ich nicht. Ich lese aus Kinderbüchern vor, die man überall kaufen kann. Es geht etwa um „Flausch“, ein Wollknäuel, das im Wald lebt und von den anderen Tieren gefragt wird: Wer bist du? Was bist du? Es geht um das Anderssein und Diversität. Frühsexualisierung beginnt ganz woanders.
ZEIT: Und wo?
Ledinski: Kinder werden in unserer Gesellschaft schon früh in Geschlechterrollen gedrängt. Denken Sie nur an die Märchen, in denen der Prinz die Prinzessin wach küsst. Und hat nicht der Nikolaus auch ein Kleid an? Diese Doppelmoral ist dumm und dämlich!
ZEIT: Viele werden sich vielleicht trotzdem fragen: Wieso Drag ausgerechnet für Kinder?
Ledinski: Drag ist eine Kunstform, wie jede andere auch. Es gibt Stücke für Erwachsene, aber genauso auch für Kinder. Wenn mich ein Kind fragt: Warum hast du pinke Haare, warum hast du ein Kleid an? Warum bist du geschminkt? Dann antworte ich: Weil es mir gefällt. Für die Kinder ist das damit erledigt. Es geht um die Botschaft: Sei einfach du selbst! Und darum, vielleicht ein paar Stereotype aufzubrechen.
ZEIT: Haben Sie damals in Wien auch persönliche Drohungen erhalten?
Ledinski: Es gab Aufrufe, meine Lesungen zu stören oder zu sabotieren. Außerdem wurde ich in Kommentaren oder in Nachrichten beschimpft. Das reichte von „Hände weg von unseren Kindern!“ bis hin zu: „Im Zweiten Weltkrieg hätte man Leute wie dich in das KZ geschickt!“ Ich hatte Angst, körperlich angegriffen zu werden. Deswegen habe ich auch meine Adresse im Melderegister sperren lassen. Ich habe auch Morddrohungen erhalten.