Die Zweckgemeinschaft

Wenn ein Großer eine ordentliche
halbe Portion umarmt, muss das kein Zeichen von Stärke sein. Im Gegenteil, es
könnte vielmehr das vorvorletzte Mittel sein, um stabil voranzuschlurfen. So
lässt sich die geplante Fusion der Fernsehgruppe RTL mit dem Bezahlsender Sky
Deutschland
bewerten. Der eine, also Sky, hat ein begrenztes, aber exklusives
und entsprechend nachgefragtes Angebot, Live-Fußball vor allem und Serien und
Filme aus den USA. Der andere, größere, also RTL, bietet eher , und Stefan Raab – und
muss erdulden, dass sein altes Geschäftsmodell erodiert. Die TV-Werbemilliarden
werden nach und nach zu digitalen Plattformen verschoben, zu TikTok und
Instagram, YouTube und Google. Dort suchen die Werbetreibenden die wirklich jungen
Menschen, die RTL vor langer, langer Zeit einmal erreicht hat. Andere Medien
kennen das bereits seit 25 Jahren, das Fernsehen wurde von dieser Entwicklung einfach
als Letztes eingeholt.

RTL stemmt sich mit allem,
was es hat, dagegen. Der Sender hat eine Audio-Plattform aufgebaut, großartige Apps
entwickelt, hat zentralisiert, gespart, ein „+“ hinter den eigenen Namen gehängt,
um ein eigenes Streaming-Angebot zu bewerben. RTL+ will verhindern, dass die
US-Plattformen dem deutschen Privatfernsehen auch noch das Erzählen wegnehmen, die
Serien und Filme, das Entertainment und die Shows – und natürlich Stefan
Raab
.

Netflix und Amazon Prime, Apple TV+
und Disney+ in Deutschland in Reichweite halten: Darum geht es bei RTL+, und das ist recht
gut gelungen. RTL+ sagt, seine Streaming-Angebote hätten rund sechs
Millionen Abonnenten in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Luxemburg.
Aber zu Netflix ist der Abstand immer noch groß und darüber hinaus der durchschnittliche
Abo-Preis bei RTL+ eher niedrig.

Deshalb möchte sich die RTL-Gruppe
nun mit Sky Deutschland zusammentun (die Sky-Zuschauer in Österreich und der
Schweiz sind hier mitgemeint). Sky jedenfalls hat bereits vor Jahrzehnten ein stabiles
Abo-Modell aufgebaut und besitzt mit Wow (früher Sky Go) eine etablierte
Streaming-Plattform. Hollywoodfilme und Bundesliga kosten dort zusammen 35 Euro
im Monat, ergänzt um die Champions League und andere Sportarten sind es sogar 64
Euro. Im nächsten Schritt wird Sky im kommenden Jahr auch noch das vollständige
Programm des US-amerikanischen Film- und Serienhauses HBO einbinden. Weltweit erfolgreiche
Serien wie und werden dann verlässlich im Abo zu
sehen sein.

Kurzum, mit Sky bekäme RTL den
Zugang zu hochwertigem Entertainment und zu einem Publikum, das bereit ist,
mehr zu zahlen als die RTL+-Kunden (deren Abos beginnen bei 5,99 Euro). Würden
die Kartellämter das Vorhaben genehmigen, entstünde wirklich eine
hiesige oder in internationaler Perspektive lokale Plattform, an der niemand so
schnell vorbeikäme.

Wie heiß wohl der Preis wird?

Ist das auch für die
Zuschauer eine durchweg gute Nachricht? Es wäre naiv zu glauben, die Manager
von RTL würden nicht längst darüber nachdenken, wie sie die Preise erhöhen,
sobald sie mit Sky zusammen neue Kombiangebote vermarkten können.  

In der üblichen, seltsam
hohlen Sprache, die mit Fusionsvorhaben einhergeht, spricht der Medienkonzern
Bertelsmann, dem RTL gehört, das wiederum Sky übernehmen will, von einer
„Boost+-Strategie“ und von RTL als „National Media Champion“.  Die „Transaktion“ geschehe aus „Verantwortung
für den Wirtschaftsstandort Deutschland“. Zur eigentlich entscheidenden Frage
ist bisher nichts zu hören. Wie wirkt sich dieses Fusionsvorhaben auf das deutsche
Programm, das kreative Schaffen in Deutschland aus? Was haben die Schauspieler,
die Regisseure, was hat die TV-Produktionslandschaft davon – und was die Zuschauer, die ins Fernsehen schauen, um sich
selbst und ihre Welt gespiegelt zu sehen? Die Verantwortlichen haben noch Zeit,
diese Fragen öffentlich zu beantworten. Die Kartellämter werden in Ruhe prüfen,
die Juristen ihr Werk verrichten. Erst 2026 soll der Zusammenschluss vollzogen
sein.

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