„Die wirtschaftlichen Potenziale der Windenergie an den Küsten sind groß“

Seit Juli führt Mark Luscombe, 55, Dänemarks drittgrößtes Geldinstitut Sydbank mit Sitz im süddänischen Abenraa. Rund 70 dänische und deutsche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bearbeiten in Flensburg, Hamburg, Lübeck und Kiel das Geschäft der Sydbank in Norddeutschland, das in den kommenden Jahren deutlich wachsen soll. In der Hamburger Filiale sagte Luscombe WELT AM SONNTAG, welche Faktoren dabei eine Rolle spielen.

WELT AM SONNTAG: Herr Luscombe, wie sehen Sie Norddeutschland als Markt und Wachstumsregion aus der Perspektive der Sydbank?

Mark Luscombe: Ich habe darauf verschiedene Sichtweisen: Weite Teile Schleswig-Holsteins waren früher dänisch, später war ein Teil Süddänemarks deutsch. In dieser wechselvollen Geschichte hat letztlich auch die Sydbank ihre Wurzeln, die 1970 gegründet wurde und die ihren Hauptsitz in Aabenraa nicht weit entfernt von Flensburg hat. Der zweite Aspekt ist unser Geschäft in Norddeutschland, und der dritte ist der Blick auf Norddeutschland im Unterschied zum übrigen Deutschland.

WAMS: Norddeutschland – speziell der Norden Schleswig-Holsteins – und Süddänemark sind auf allen Ebenen eng miteinander verbunden, auch durch die jeweiligen nationalen Minderheiten im anderen Land. Spiegelt sich das bei der Sydbank wider?

Luscombe: Durchaus, zum Beispiel in der Struktur unseres Deutschlandgeschäftes. Etwa 55 Prozent Anteil daran haben deutsche Unternehmenskunden, 18 Prozent sind dänische Unternehmenskunden hauptsächlich mit Sitz in Dänemark. Etwa 25 Prozent entfallen auf das Private Banking in Deutschland und zwei Prozent auf Privatkunden hierzulande. Wir sind in Norddeutschland stärker präsent als alle anderen dänischen Banken, mit Niederlassungen in Hamburg, Kiel und Flensburg. Unsere Niederlassung in Flensburg hat dieses Jahr ihr 40-jähriges Jubiläum gefeiert, in Hamburg steht das 40-jährige Jubiläum im kommenden Jahr an.

WAMS: Kleine und mittelgroße Unternehmen sind Ihre Kernklientel in Norddeutschland. Haben Sie dabei besondere Branchenschwerpunkte?

Luscombe: Neben den privatwirtschaftlichen Unternehmen arbeiten wir in Norddeutschland eng auch mit Stadtwerken zusammen. Die Energiewende in Deutschland – die es in ähnlicher Form auch in Dänemark gibt – ist sicher eines unserer Schwerpunktthemen. Wir haben kaum reine Projektfinanzierungen, sondern wir konzentrieren uns vor allem auf Unternehmensfinanzierungen. Speziell in Hamburg ist für uns dabei natürlich auch der Außenhandel ein sehr wichtiger Wirtschaftszweig.

WAMS: Welche Aspekte sind für Sie bei der Energiewende wichtig?

Luscombe: Dänemark wird im Rahmen der europäischen Energiewende ein wesentlicher Energielieferant auch für Deutschland, sei es mit selbst erzeugter Energie wie etwa „grünem“ Wasserstoff oder auch als Transitland für Ökostrom oder andere regenerative Energieträger aus Skandinavien. Das wiederum betrifft auch etliche kleinere und mittelgroße Unternehmen – unsere Kundschaft in Deutschland und Dänemark. Die wirtschaftlichen Potenziale gerade auch bei der Windenergie an den Küsten sind groß.

WAMS: Deutschland und Dänemark wachsen auch bei der Infrastruktur enger zusammen. Ist das ein Thema auch für die Sydbank?

Luscombe: Es sind nicht so sehr Verkehrswege, obwohl wir die Hausbank für Unternehmen sind, die an Projekten wie der Entwicklung des Fehmarnbelttunnels beteiligt sind. Aber unsere Unternehmenskunden haben viel zum Beispiel mit der stärkeren Sicherung von Küstenlinien angesichts des Klimawandels zu tun. Dänische Unternehmen haben bei diesem Thema viel Expertise.

WAMS: Der norddeutsche Markt für Unternehmensfinanzierungen ist von einem starken Wettbewerb geprägt. Welche Ziele und Entwicklungen strebt die Sydbank hier an?

Luscombe: Wir wollen in Norddeutschland sowohl bei den Unternehmenskunden wie auch im Private Banking Geschäft wachsen. Deutschland ist sicher ein herausfordernder Bankenmarkt, der lange Zeit von Überkapazitäten und relativ niedrigen Gewinnmargen geprägt war. Unser Geschäft – geprägt vor allem durch den Mittelstand – in Norddeutschland ist allerdings sehr profitabel.

WAMS: Ist der rechtliche Rahmen für das grenzüberschreitende Geschäft zwischen Dänemark und Deutschland innerhalb der EU aus Ihrer Sicht ausreichend?

Luscombe: Für unser Geschäft funktioniert das gut.

WAMS: Die Wirtschaft in Norddeutschland und Süddänemark hofft auf starke Impulse durch den Fehmarnbelttunnel zwischen Lolland und Fehmarn, der mit seinen jeweiligen Inlandsanbindungen 2029 in Betrieb gehen soll. Teilen Sie diesen Optimismus?

Luscombe: Für das südliche Jütland bedeutet der Fehmarnbelttunnel sicher eine willkommene Entlastung bei den Verkehrsströmen. Wichtig ist beim Fehmarnbelttunnel, dass sich entlang der neu entstehenden Strecke neue wirtschaftliche Schwerpunkte bilden. Die Region Kopenhagen-Malmö zum Beispiel, verbunden durch die Öresundbrücke, ist sehr stark auch durch das Thema Life Sciences und Pharmaindustrie vorangekommen, mit einem starken Hintergrund durch die örtlichen Universitäten. Am Fehmarnbelt könnte das zum Beispiel die Logistikbranche sein, aber auch die Energiewende mit allen Aspekten der erneuerbaren Energien. Das wird neue Perspektiven natürlich auch für Sydbank und unseren Kunden schaffen.

Olaf Preuß ist Wirtschaftsreporter von WELT und WELT AM SONNTAG für Hamburg und Norddeutschland. Über die Verbindungen zwischen Dänemark und Deutschland bei Wirtschaft und Infrastruktur berichtet er seit vielen Jahren, etwa über den Bau des Fehmarnbelttunnels