Scheibchenweise kündigt der Autozulieferer Continental seine eigene Verzwergung an. Jetzt sollen 3000 Stellen gestrichen werden, ausgerechnet im Bereich Forschung und Entwicklung, der eigentlich für die Zukunft des Unternehmens steht. Addiert man die Ankündigungen des vergangenen Jahres dazu, kommt man auf mehr als 10.000 Jobs, die das Unternehmen streichen will. Die betroffene Sparte hat derzeit noch 92.000 Mitarbeiter.
Das Drama spielt sich im Konzernteil namens Automotive ab, der im Laufe des Jahres als eigenständiges Unternehmen abgespalten werden soll. Den Namen Continental behält der Reifenkonzern. Wie die eigenständige „Automotive“ künftig heißen wird, ist noch unklar. Das ist aber das geringste Problem. Es fehlen der Firma Ziel und Strategie.
Der Zulieferer ist ein Konglomerat als vielen zusammengekauften Unternehmen, die Autohersteller mit unterschiedlichsten Produkten beliefern. Dazu zählen Bremsen, Displays und Zentralrechner für Pkw. Profitabel läuft dieses Geschäft seit vielen Jahren nicht. Deswegen bauen Konzernchef Nikolai Setzer und der Vorstandschef der Sparte, Philipp von Hirschheydt, das Unternehmen permanent um.
Schon ihre Vorgänger taten das. Das gesamte Geschäft mit den Antrieben beispielsweise wurde unter dem Namen Vitesco abgespalten. Nun hat Conti kein Produkt mehr mit Bezug zum Motor im Angebot, auch nicht zum E-Motor.
Man kann das Unternehmen als trauriges Symbol sehen für die Planlosigkeit der Zulieferbranche, die in der Transformation zu Elektroautos und von Software bestimmten Fahrzeugen den Kurs verloren hat. Es gibt bei Conti zwar positive Ansätze für Zukunftsgeschäfte. Die Tochterfirma Elektrobit beispielsweise ist ein etablierter Spieler für Autosoftware. Doch auch dort wird gespart. Denn zur Transformation kommt ein konjunktureller Einbruch: Die Autohersteller sparen, die Zulieferer bekommen weniger Aufträge. Das heißt: Sie müssen Stellen streichen – solange ihnen kein alternatives Geschäft mit anderen Kunden einfällt.
Bei Conti kommt dazu, dass niemand genau sagen kann, wofür die Marke wirklich steht, abgesehen von Reifen. Zu trauriger Berühmtheit hat es im vergangenen Jahr eine Bremse des Unternehmens gebracht, mit der es technische Probleme gab. Der Hersteller BMW musste 1,5 Millionen Fahrzeuge mit dem Bauteil zurückrufen. Der Schaden liegt im dreistelligen Millionen-Euro-Bereich. Keine Werbung für die neue „Automotive“.
Aber wofür könnte das Unternehmen ohne Namen stehen? Setzer und Hirschheydt sind Antworten darauf bisher schuldig geblieben. Eine „Story“ für die Börse wie beim Abspaltungs-Vorbild Vitesco ist nicht in Sicht. Dort hatte es der Manager Andreas Wolf geschafft, Contis Resterampe der Verbrennertechnologie so geschickt mit neuen Elektroantrieben zu kombinieren, dass sein Unternehmen den Anlegern als Inbegriff der Transformation erschien. Der Aktienkurs überholte den des alten Mutterkonzerns.
Bei Conti dagegen hatte Setzer vor Jahren vage versprochen, dass man ein großer Spieler bei der Software und bei Computern für moderne Autos werden könne. Doch gerade in diesem Feld wird die Luft für klassische Autozulieferer dünner. Volkswagen besorgt sich seine neue Software vom E-Auto-Start-up Rivian in den USA. Andere kooperieren mit Google oder Amazon.
Weil jeder Autohersteller ein eigenes System entwickelt, ist der mögliche Anteil eines Zulieferers wie Conti daran denkbar klein. Für ihn lohnt sich die Investition nur dann, wenn er vielen Automarken die gleichen Programmbausteine verkaufen kann.
Auch Displays im Auto sind wohl nicht das große Zukunftsgeschäft für Conti. Von dieser Sparte wollte sich das Unternehmen bereits trennen. Das ist nun aufgeschoben auf die Zeit nach der Abspaltung. Sollte die Story für die Börse tatsächlich nur der weitere Abbau des Unternehmens sein, also mehr Effizienz, dann drohen Conti düstere Zeiten. Denn eine Aktie ohne Fantasie will niemand kaufen.
Daniel Zwick ist Wirtschaftsredakteur und berichtet für WELT über alle Themen aus der Autoindustrie.