Die Rückkehr des Plastikstrohhalms? Capri Sun will das Tabu brechen

„Früher war alles besser“, ist einer dieser Sätze, die schnell und oft genutzt werden, wenn sich Dinge verändern. Bei der Trinkpäckchen-Marke Capri Sun bekommt man diesen Spruch seit einigen Jahren besonders häufig zu hören von den eigenen Kunden – und ist mittlerweile selbst unzufrieden mit dem Ist-Zustand. Zumindest wenn es um die Trinkhalme geht, die für die charakteristischen Folienbeutel von Capri Sun gebraucht werden.

Die nämlich bestehen seit Sommer 2021 aus Papier statt wie vorher aus Plastik. Und die knicken reihenweise ab und schaffen es oft nicht mal in die Trinköffnung. Oder sie weichen auf und werden unbrauchbar. „Das ärgert viele Kunden“, weiß Roland Weening, der globale Chef von Capri Sun.

Und das droht mittlerweile auch aufs Geschäft zu schlagen, weil die Verbraucher zu Alternativprodukten greifen. Das Unternehmen mit Hauptsitz in der Schweiz will deswegen zur Plastikvariante zurückkommen, kündigt Weening in der Schweizer „Sonntagszeitung“ an. Man arbeite daraufhin, zumindest in der Schweiz wieder ein recyclingfähiges Plastikröhrchen zu verwenden.

Grund für die vorherige Umstellung ist die sogenannte Einwegkunststoffrichtlinie der Europäischen Union (EU). Die nämlich verbietet den Verkauf von unter anderem Trinkhalmen, Rührstäbchen, Luftballonhaltern, Wattestäbchen oder Einweg-Geschirr und -Besteck aus Plastik in sämtlichen EU-Staaten. Ziel ist es, den Kunststoffverbrauch zu reduzieren und zugleich achtloses Wegwerfen dieser Produkte in die Umwelt zu verhindern.

„Das Verbot ist zwar gut gemeint“, urteilt nun Getränkemanager Weening. „Doch in unserem Fall macht es überhaupt keinen Sinn.“ Capri Sun will daher bei der EU-Kommission auf eine Ausnahmegenehmigung hinwirken.

Denn Deutschland zum Beispiel ist einer der beiden wichtigsten Absatzmärkte für das in den 1960er-Jahren vom Heidelberger Unternehmer Rudolf Wild entwickelte Trinkpäckchen. Insgesamt verkauft Capri Sun, das nach der bekannten italienischen Ferieninsel benannt ist, rund sechs Milliarden Trinkbeutel in 110 Ländern und erzielt dabei einen Jahresumsatz in Höhe von gut 1,5 Milliarden US-Dollar.

Meist wird das Getränk von Kindern getrunken. Immerhin rund 40 Prozent der Nutzer sind aber älter als zwölf Jahre, heißt es. „Sogar Großeltern trinken gerne Capri-Sun“, beschreibt Weening. Vor allem in Deutschland, wo viele mit dem Getränk aufgewachsen sind, sei der Nostalgie-Faktor groß.

„Die Richtlinie ist in dieser Hinsicht eindeutig“

Die Chancen auf eine Ausnahmegenehmigung stehen indes schlecht. Artikel 5 der Einwegkunststoffrichtlinie verbiete innerhalb der EU den Verkauf von Einwegkunststoffartikeln, die in Anhang B der Richtlinie aufgeführt sind, darunter auch Trinkhalme, sagt Alexander Kronmius, der Geschäftsführer von Plastics Europe Deutschland, dem Verband der Kunststofferzeuger.

Dieses Verbot gelte seit dem Juli 2021. „Und die Richtlinie ist in dieser Hinsicht eindeutig“, unterstreicht Kronmius gegenüber WELT. Ähnlich sieht es auch die Wirtschaftsvereinigung Alkoholfeie Getränke (WAFG). „Wir sehen keine Möglichkeit, sich freizeichnen zu lassen“, sagt ein Sprecher über die geltende Gesetzeslage in der EU, die Deutschland 2020 mit der Einwegkunststoffverbotsverordnung in nationales Recht umgesetzt hat.

Der Ärger der hiesigen Verbraucher dürfte damit weitergehen. Zwar hat Capri Sun im August 2022 eine verbesserte Papierhalm-Variante auf den Markt gebracht. „Er lässt sich leichter einstecken, ist stabiler beim Trinken, ist widerstandsfähiger“, kündigte der Hersteller damals in einem Instagram-Post an.

Überzeugt scheinen die Kunden trotzdem nicht. Die Aufregung in den sozialen Medien ist jedenfalls immer wieder groß. Und in der Schweiz, in der die EU-Vorgaben nicht gelten, wandern Kunden offenbar zur Konkurrenz ab. Denn die dortigen Supermarktketten Migros und Coop verkaufen die Trinkpäckchen ihrer Eigenmarken weiterhin mit Plastikhalm.

Kehrt auch Capri Sun in der Schweiz zur alten Version zurück, dürften allerdings die Kosten steigen. Denn dann müssten verschiedene Varianten der Einweg-Verpackung produziert werden. Und das wollte der Hersteller eigentlich vermeiden.

Immerhin wurde damit vor sieben Jahren die Umbenennung von Capri Sonne auf Capri Sun in Deutschland begründet. Um Kosten zu sparen, habe man internationale Standards angeglichen, hieß es damals. Deutschland war seinerzeit das einzige Land mit einem anderen Namen für das Kultgetränk.

Überall verändert wird derweil die Zusammensetzung des Beutels. Eingesetzt wird nach und nach nur noch die Plastiksorte Polypropylen (PP), um die Verpackung recyclingfähig zu machen. Bislang besteht sie aus einer Verbundfolie aus Aluminium und Plastik. Weil darin verschiedene Materialien vermischt wurden, konnte sie auf klassischem Wege nicht recycelt werden.

Carsten Dierig ist Wirtschaftsredakteur in Düsseldorf. Er berichtet über Handel und Konsumgüter, Maschinenbau und die Stahlindustrie sowie über Recycling und Mittelstandsunternehmen.

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