Vor drei Wochen stürzte das Regime von Diktator Baschar al-Assad (59), Syriens Diktator setzte sich nach Russland ab. Die siegreichen Rebellen unter Führung der islamistischen Miliz HTS haben bereits eine Übergangsregierung gebildet.

Doch noch toben Kämpfe im Land: Im Norden rücken die von der Türkei kontrollierten Gruppen der „Syrischen Nationalen Armee“ (SNA) gegen die mehrheitlich kurdischen Truppen vor – unterstützt durch türkische Luftschläge. Im Süden hat Israel eine Schutzzone eingerichtet.

Fakt ist: Der Umsturz im strategisch wichtigen Syrien hat die Machtordnung im gesamten Nahen Osten stark verändert. Einige Mächte haben an Einfluss zugelegt, andere sind deutlich geschwächt.

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Al-Scharaa bestimmt jetzt in Syrien

HTS-Anführer Ahmed al-Scharaa steht als derjenige dar, der Diktator Assad vertrieben hat. Nun jedoch muss die von seiner Gruppe gebildete Übergangsregierung zeigen, dass sie wirklich wie versprochen Minderheiten schützt und effektiv regiert.

„HTS hat sich in gewisser Weise seit Jahren auf diesen Moment vorbereitet“, sagt Nahostexperte Michael Horowitz von der Sicherheitsberatung „Le Beck International“.

Schon zuvor habe HTS in den von ihnen beherrschten Gebieten im Nordwesten Syriens eine effektive Regierung aufgebaut, indem lokale Minderheiten in die Regierung integriert wurden.

Der wirkliche Test komme aber noch, so Horowitz: „Sie werden auf Schwierigkeiten stoßen, wenn Minderheiten oder andere mehr Mitspracherecht bei Regierungsentscheidungen wollen.“

Internationale Legitimität hat die Übergangsregierung bereits: Mehrere Außenminister aus der Region waren bereits zu Besuch, auch eine Delegation des Auswärtigen Amtes traf sich mit al-Scharaa in Damaskus.

Türkei-Präsident Erdogan ist auf dem Vormarsch

Die Türkei unter Präsident Recep Tayyip Erdogan (70) unterstützte ab 2011 die syrische Opposition, nahm mehr als drei Millionen Flüchtlinge auf. Später konzentrierte sich die Türkei auf den Kampf gegen die kurdische SDF, die ihr als syrischer Ableger der PKK an der Südgrenze gefährlich erschien.

Der türkische Geheimdienstchef Ibrahim Kalin (53) besuchte kurz nach dem Sturz Assads Damaskus für Gespräche mit HTS-Chef al-Scharaa, während in Nordsyrien wieder gekämpft wird.

„Die Türkei ist in einer sehr starken Position, um ihre Forderungen gegenüber den SDF möglicherweise durchzusetzen“, sagt Experte Horowitz.

Für die SDF könnte die Lage noch bedrohlicher werden, so Horowitz: „Präsident Trump hat signalisiert, dass er keine Rolle für die USA in Syrien will, was bedeuten könnte, dass wir bald einen endgültigen Abzug der US-Truppen erleben werden, vor allem aus den SDF-Gebieten.“ Dadurch bekäme die Türkei viel mehr Spielraum.

Israel und Netanjahu haben eine Gefahr gebannt

Die israelische Luftwaffe bombardierte unmittelbar nach der Flucht Assads verlassene Militäreinrichtungen des Regimes, zerstörte Flugzeuge, Luftverteidigungssysteme, Kriegsschiffe und Anlagen, die mutmaßlich zum syrischen Chemiewaffenprogramm gehörten.

Zudem rückten israelische Truppen in die Puffer-Zone auf dem Golan ein: Seit 1974 sollte diese von UN-Truppen überwacht werden. Premierminister Benjamin Netanjahu (75) kündigte an, israelische Truppen würden dort vorübergehend stationiert sein, bis die Lage übersichtlicher sei.

Für Israel ist eine der großen Gefahren in Syrien vorerst gebannt: Denn für die iranisch geführte „Achse des Widerstands“ war das Assad-Regime ein wichtiger Baustein zur Einkreisung Israels. Von den neuen Machthabern erwartet Horowitz kurzfristig keine Angriffe, auch wenn HTS Israel nicht freundlich gesinnt sei.

Assad musste selbst flüchten

Die Flucht des Diktators nach Moskau beendete die 24 Jahre dauernde Schreckensherrschaft Assads mit Hunderttausenden Toten. Sein Palast wurde geplündert, Tausende Menschen aus den Folterkerkern des Regimes befreit.

Die schmähliche Flucht nach Russland hatte Assad offenbar auch vor den engsten Vertrauten geheim gehalten: Selbst sein Bruder Maher al-Assad wusste laut einem Reuters-Bericht nichts von den Fluchtplänen, musste sich mit einem Helikopter in den Irak retten.

Die Baath-Partei, die jahrzehntelang in Syrien geherrscht hatte, erklärte nach der Flucht Assads die Einstellung ihrer Arbeit, in der Stadt Kardaha wurde das Mausoleum von Baschars Vater Hafez al-Assad in Brand gesetzt.

Putin ist ein großer Verlierer

Das russische Regime hatte in den ersten Tagen der Offensive noch versucht, das Assad-Regime zu stützen: Russische Kampfjets bombardierten die von der Opposition gehaltenen Gebiete massiv.

Nun stehen die russischen Streitkräfte in Syrien vor einem Dilemma: In Tartous befindet sich seit Jahrzehnten der einzige Mittelmeerhafen unter russischer Kontrolle, über die nahegelegene russische Luftwaffenbasis Hmeimim werden viele russische Söldnergruppen in Afrika versorgt.

Putins Regime versucht zwar, mit den neuen Machthabern zu verhandeln, doch ob HTS eine russische Präsenz in Syrien dulden wird, ist fraglich: Seit 2015 haben russische Truppen auf Seiten Assads Kriegsverbrechen und Massaker angerichtet.

Die Mullahs haben einen Verbündeten weniger

Für das iranische Mullahregime ist der Verlust des Verbündeten Assad eine schwere strategische Niederlage: Der Landkorridor vom Iran über den Irak in den Libanon ist nun versperrt, die Ära der iranischen Machtfülle in der Region vorbei, sagt Experte Horowitz.

Zwar werde HTS vermutlich erlauben, dass iranische Milizen ausreisen dürften, doch Syrien sei für die „Achse des Widerstands“ wohl vorerst verloren.